Mangelernährung bleibt oft unerkannt Kennen Sie die GLIM-Kriterien?

Viszeralmedizin 2025 Autor: Friederike Klein

Bis zu 40 % der Klinikpatientinnen und -patienten sind mangelernährt Bis zu 40 % der Klinikpatientinnen und -patienten sind mangelernährt © Mediaphotos - stock.adobe.com

Bis zu 40 % der Klinikpatientinnen und -patienten sind mangelernährt – häufig unerkannt. Die GLIM-Kriterien helfen bei der Diagnose und zeigen, dass Mangelernährung prognoserelevant ist.

Hinter GLIM verbirgt sich die Global Leadership Initiative of Malnutrition. Sie hat erstmals 2019 einen Konsensus für die Diagnose der Mangelernährung publiziert. Vorgeschlagen wird ein zweistufiges Verfahren: Zunächst ein Screening, das Personen mit Risiko für eine Mangelernährung identifiziert, dann eine genauere Erhebung für die Diagnose und Schweregradeinteilung der Mangelernährung.

Eine Mangelernährung nach GLIM besteht, wenn mindestens ein phänotypisches und ein ätiologisches Kriterium zutrifft, erläuterte Dr. Elisabeth Blüthner, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zu den phänotypischen GLIM-Kriterien gehören unfreiwilliger Gewichtsverlust, niedriger BMI und reduzierte Muskelmasse. Die ätiologischen GLIM-Risikofaktoren sind verringerte Nahrungsaufnahme oder Resorption und hohe Krankheitslast oder Inflammation. 

Wissenslücken bei einem Viertel der Befragten

Der Konsensus und die GLIM-Kriterien seien international und hierzulande gut akzeptiert, sagte Dr. Blüthner. Eine Online-Befragung von 182 klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten, von denen 53 % angaben, auch über ein Ernährungsteam im Krankenhaus zu verfügen, lässt aber Lücken in der praktischen Umsetzung erkennen. 26 % aller Befragten hatten noch nie etwas von GLIM-Kriterien gehört. Ein regelmäßiges Screening auf Mangelernährung fand in Kliniken mit Ernährungsteam zu 83 % statt, in Häusern ohne Ernährungsteam nur zu 47 %. Eingesetzt wurde am häufigsten das Nutritional Risk Screening 2002 (NRS-2002). Dieses und andere validierte Screeninginstrumente sind auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin zu finden. Welches Tool verwendet wird, ist nicht entscheidend, meinte Dr. Blüthner. Wichtig ist, dass überhaupt ein Screening durchgeführt wird. Bei positivem Ergebnis wurde in Kliniken mit Ernährungsteam in 57 % automatisch das Team für die Diagnose Mangelernährung hinzugezogen und wurden mögliche Maßnahmen getroffen. In den anderen Einrichtungen waren standardisierte Abläufe aufgrund von Personalmangel oft nicht möglich. 

Falsche Bilder im Kopf

Die Bilder von Unterernährung, die der Begriff Mangelernährung häufig erzeugt, sind falsch. Auch adipöse Personen können mangelernährt sein. Mangelernährung ist laut der deutschen Gesellschaft für Ernährung definiert als ein Zustand, der aus einer mangelnden Zufuhr oder Aufnahme von Energie und Nährstoffen über die Nahrung entsteht, zu einer veränderten Körperzusammensetzung führt und mit messbaren Veränderungen körperlicher und mentaler Funktionen verbunden ist.

Dabei ist die Diagnose Mangelernährung häufig und prognoserelevant. Nach der Erhebung vom Nutrition Day 2023 sind in Deutschland 15–40 % der stationären Patientinnen und Patienten mangelernährt. Auf geriatrischen Stationen kann man davon ausgehen, dass jeder zweite von Mangelernährung betroffen ist, betonte Dr. Blüthner. Eine Mangelernährung steigert die Mortalität und die Krankenhausverweildauer und ist somit auch gesundheitsökonomisch relevant. Selbst in schweren Fällen erhält laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung nur ein Teil der Betroffenen eine Ernährungsintervention, z. B. angereicherte Kost oder Trinknahrung. 

Ernährungstherapie senkte die Mortalität um 35 %

Eine individualisierte Ernährungstherapie kann der Mangelernährung und ihren Folgen wirksam entgegensteuern, sagte Dr. Blüthner. In der randomisiert kontrollierten Studie EFFORT führte eine frühe nach Protein- und Kalorienbedarf individualisierte Ernährungstherapie im Vergleich zur Standardversorgung bei Personen mit Ernährungsrisiko zu einer Reduktion des kombinierten Endpunkts aus Mortalität, Intensivaufnahme, ungeplanter Wiederaufnahme, schweren Komplikationen und einem verschlechterten funktionellen Status. Das allgemeine Sterberisiko wurde signifikant um 35 % gesenkt. In der randomisiert kontrollierten NOURISH-Studie führte eine proteinreiche Trinknahrung bei älteren mangelernährten stationären Patientinnen und Patienten zu einer Halbierung der 90-Tages-Mortalität im Vergleich zu Kontrollpersonen.

Die ernährungsmedizinische Strukturqualität entspricht in deutschen Kliniken und Pflegeheimen nicht dem, was von Fachgesellschaften als Standard gefordert und international zum Teil bereits etabliert ist, stellte Dr. Blüthner fest. Der G-BA hat die Bedeutung dieser Situation erkannt und als Leistungsbereich Diagnostik, Therapie und Prävention von Mangelernährung definiert, in dem das Instrument der Qualitätsverträge erprobt werden soll. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin hat Materialien hierfür bereitgestellt. 

Quelle: Aus der Fachliteratur