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Typ-1-Diabetes Kleine Diabetiker, große Probleme

Autor: Dr. Andrea Wülker

Programme zur Unterstützung der Transition werden nicht flächendeckend genutzt. (Agenturfoto) Programme zur Unterstützung der Transition werden nicht flächendeckend genutzt. (Agenturfoto) © iStock/martin-dm
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Erwachsenwerden ist nicht einfach – mit Diabetes schon gar nicht. Viele junge Typ-1-Diabetiker verlieren den Kontakt zur diabetologischen Spezialbetreuung, wenn sie aus der Kinderdiabetologie „herauswachsen“. Pädiater fassen Schwierigkeiten und Lösungsansätze zusammen.

Etwa eines von 600 Kindern in Deutschland hat einen Typ-1-Diabetes. Als Therapie der Wahl für diese jungen Patienten gilt die mahlzeitenbezogene intensivierte Insulingabe, schreiben Dr. Nicolin Datz und Kollegen vom Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT in Hannover. Wichtiges Ziel der Diabetesbehandlung ist eine gute Stoffwechseleinstellung (HbA1c < 7 % sowie „Zeit im Zielbereich“), um diabetische Folgeschäden möglichst gering zu halten.

Insulinpumpen bei Kindern viel häufiger im Einsatz

Zu diesem Zweck setzt man in der pädiatrischen Diabetologie sehr viel häufiger moderne Technologien ein als in der internistischen Diabetologie. Während nur etwa 20–30 % der über 20-jährigen Typ-1-Diabetiker mit einer Insulinpumpe versorgt sind, hatten über 90 % der pädiatrischen Diabetespatienten, die im Jahr 2018 jünger als fünf Jahre waren, bereits eine Insulinpumpe. Bei den Jugendlichen ist es immerhin fast jeder Zweite. Noch deutlicher wird der zunehmende Einsatz moderner Technologien bei der sensorunterstützten Pumpentherapie: 2015 erhielten 932 der unter 20-jährigen Patienten eine solche komplexe Therapieform, drei Jahre später hatte sich diese Zahl mehr als verzehnfacht.

Bei der sensorunterstützten Insulintherapie und auch beim Einsatz von Systemen zur automatisierten Insulindosierung sind regelmäßige altersgemäße Patientenschulungen unverzichtbar. Das setzt gleichzeitig Fortbildungen des Diabetesteams voraus, damit dieses auf technische, aber auch alltagsrelevanten Fragen und Ängste eingehen kann.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Transition, also der Überleitung von der pädiatrischen in die Erwachsenenversorgung? Junge Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen in dieser Phase nach und nach Verantwortung für ihre Erkrankung übernehmen, das schließt das Aneignen der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten für das Selbstmanagement mit ein. Gleichzeitig müssen die Eltern lernen, sich allmählich aus dem Krankheitsmanagement zurückzuziehen.

In Deutschland wechseln jährlich etwa 2.000 junge Menschen mit Typ-1-Diabetes aus der Kinderdiabetologie in die Erwachsenenmedizin. Das funktioniert nicht immer reibungslos, wie Untersuchungen zeigen: Bei vielen Jugendlichen lässt die Blutzuckereinstellung nach dem Transfer zu wünschen übrig, und 40 % der jungen Patienten mit Typ-1-Diabetes verlieren in der Transitionsphase den Kontakt zur Spezialmedizin. Vorstellig in einer diabetologischen Einrichtung werden sie erst dann, wenn bereits diabetesbedingte Schäden vorliegen.

Damit der Übergang gelingt

Zu einem strukturierten Transitionsprozess gehören:
  • Transitionsgespräche vor und nach dem Transfer (Einschätzung des Unterstützungsbedarfs des Patienten, Definition erforderlicher Maßnahmen)
  • Gemeinsame Sprechstunden bzw. Fallkonferenzen
  • Strukturierte Epikrise

Zwar gibt es bereits einige Programme zur Unterstützung der Transition wie z.B. das Berliner Transitionsmodell, ModuS-T oder Between, doch diese werden bisher nicht flächendeckend genutzt und haben oft weder personell noch finanziell langfristige Sicherheit. Hinzu kommt, dass es gelegentlich schwierig ist, Kostenträger von der Notwendigkeit einer begleiteten Transition zu überzeugen. Angesichts dieser unbefriedigenden Situation arbeiten Kinder- und Erwachsenendiabetologen derzeit an einem tragbaren Konzept zur Transition, das flächendeckend eingesetzt werden kann. Die Experten vom Kinder- und Jugendkrankenhaus plädieren für die Einrichtung regionaler Behandlungszentren, in denen pädiatrische und internistische Diabetesteams unter einem Dach zusammenarbeiten und Patienten betreuen. So würde ein enger Austausch der Behandler z.B. zur Nutzung neuer Diabetestechnologien gefördert und eine kontinuierliche Betreuung und Begleitung der Patienten vereinfacht. Der Transitionsprozess könnte zusätzlich durch den Einsatz der Telemedizin erleichtert werden, so die Kollegen aus Hannover­.

Quelle: Datz N et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1200-1205; DOI: 10.1055/a-1332-4603