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Leitfaden für die Behandlung osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Die Klassifikation der unterschiedlichen osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen soll die Behandlung erleichtern. Die Klassifikation der unterschiedlichen osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen soll die Behandlung erleichtern. © iStock/wildpixel
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Bisher gibt es keine einheitliche Vorgehensweise bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen. Eine neue Therapieempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie soll Ärzten helfen, mit den verschiedenen Frakturtypen besser zurechtzukommen.

Für die Versorgung osteoporotischer Frakturen (OF) fehlen klare Behandlungsstrategien. Die Klassifikationen der traumatischen Wirbelkörperfrakturen bei jüngeren Patienten können nicht einfach auf die Situation des älteren Menschen übertragen werden, schreiben Professor Dr. Thomas­ R. Blattert­ von der Orthopädischen Fachklinik Schwarzach und seine Kollegen.

Das volle Programm: Röntgen, CT und MRT

Um dem behandelnden Arzt im Umgang mit Wirbelkörperfrakturen bei Osteoporosepatienten ein Werkzeug an die Hand zu geben, hat die Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) nun allgemeine Behandlungsempfehlungen herausgegeben.

Nach Auswertung von insgesamt 707 klinischen Fällen aus 16 Krankenhäusern sowie der aktuellen Literatur entwickelte die Arbeitsgruppe eine Klassifikation osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen sowie einen darauf basierenden Score, der sich aus Klassifikationstyp (OF 1–5), Knochendichte, Dynamik der Sinterung, Schmerz (unter Analgesie), Neurologie, Mobilisation (unter Analgesie) und Gesundheitszustand zusammensetzt. Dadurch soll die Therapieentscheidung erleichtert werden (s. Kasten).

Therapieempfehlungen für die einzelnen Frakturtypen

  • Osteoporotische Fraktur (OF) 1 (keine Deformation; Wirbelkörper­ödem im MRT): konservative Behandlung
  • OF 2 (Deformation mit geringer/ohne Hinterwandbeteiligung, < 1/5): konservative Behandlung
  • OF 3 (Deformation mit ausgeprägter Hinterwandbeteiligung, > 1/5): OP
  • OF 4 (Verlust der Rahmenstruktur, Wirbelkörperkollaps oder Kneifzangenfraktur): OP
  • OF 5 (Distraktions- und Rotationsverletzungen): OP

Um Klassifikation und Score zuverlässig anwenden zu können, müssen folgende diagnostische Standardmaßnahmen konsequent eingehalten werden:
  • konventionelles Röntgen der betroffenen Region in beiden Standardebenen (wenn möglich im Stehen)
  • MRT der gesamten thorakolumbalen Wirbelsäule
  • CT der betroffenen Region inkl. sagittaler Rekonstruktion
Nach vier bis sieben Tagen sollte bei jedem Patienten eine klinische und radiologische Nachuntersuchung erfolgen. Zudem gilt es, mögliche Sturzrisiken (Frakturprophylaxe) zu erfassen.

Konservative Therapie

Oberstes Ziel jedes therapeutischen Vorgehens ist die schnelle und schmerzfreie Mobilisierung des Patienten. Die Mehrheit der osteoporotischen Wirbelsäulenfrakturen kann folgendermaßen erfolgreich konservativ behandelt werden:
  • möglichst kurze initiale Bettruhe
  • Analgesie (z.B. NSAR, Paracetamol, Metamizol, Opioide)
  • Physiotherapie, bestehend aus remobilisierenden Übungen, medizinischer Trainingstherapie, rückenschulenden Maßnahmen und ggf. lokalen physikalischen Anwendungen
  • Orthesen (optional)

Operative Therapie

Die operative Behandlung gehört in die Hände erfahrener Wirbelsäulenchirurgen und sollte nur dann erfolgen, wenn gewichtige Faktoren vorliegen (s. Kasten). Mögliche Komplikationen sowie deren Auswirkungen auf die teilweise hochbetagten Patienten müssen sorgfältig abgewogen werden. Es gilt, das alters­spezifische sagittale und koronare Wirbelsäulenprofil zu rekonstruieren.

OP-Indikationen

  • neurologische Defizite
  • konstant hohes Schmerzniveau trotz Analgesie
  • ausbleibende Mobilisierbarkeit
  • fortschreitende Sinterung der Wirbelkörper im Rahmen der Nachuntersuchung
  • hochgradige Frakturinstabilität der Klassifikationstypen OF3–OF5 bei zusätzlich hohem OF-Scorewert
Primäres Ziel ist die Wiederherstellung der biomechanischen Stabilität und der physiologischen Belastungsfähigkeit der Wirbelsäule ohne Einschränkungen. Der Erhalt möglichst vieler Bewegungssegmente ist sekundär. Idealerweise wird ein minimalinvasives Verfahren gewählt. Aufgrund der verminderten Knochendichte empfehlen die Experten entweder die Verwendung von Augmentationstechniken mit Zement oder mit speziellen Schrauben mit erhöhter Haltekraft im strukturschwachen Knochen. Die Behandlung nach OP folgt denselben Prinzipien wie die konservative Therapie.

Quelle: Blattert TR et al. Orthopäde 2019; 48: 84-91