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Borderline-Persönlichkeitsstörung Löffelstiel auf Abwegen

Autor: Dr. Andrea Wülker

Bei den beschriebenen Borderline-Patientinnen besteht die wahre Herausforderung darin, ihre Motivation für eine Psychotherapie zu fördern und die Fixierung auf das selbstschädigende Verhalten aufzulösen. Bei den beschriebenen Borderline-Patientinnen besteht die wahre Herausforderung darin, ihre Motivation für eine Psychotherapie zu fördern und die Fixierung auf das selbstschädigende Verhalten aufzulösen. © VectorMine – stock.adobe.com
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Borderline-Patienten schädigen sich häufig selbst durch Ritzen oder Verbrennen. Auch das Verschlucken von gefährlichen Gegenständen, etwa Glasscherben oder Batterien, kommt vor. Dann ist schnelles Handeln gefragt.

Patienten mit Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ sind von Stimmungsschwankungen und einem Gefühl der inneren Leere geplagt und legen ein impulsives, selbstzerstörerisches Verhalten mit (para)suizidalen Aktivitäten an den Tag. Einige der Betroffenen schlucken Fremdkörper, um sich selbst zu verletzen. Daher werden immer wieder die Gastroenterologen von psychiatrischen Kollegen zu Hilfe gerufen.

In einem Zeitraum von drei Jahren schafften es acht Borderline-Patientinnen im Alter zwischen 19 und 32 Jahren auf die stattliche Zahl von insgesamt 143 Endoskopien, berichten Prof. Dr. Wolfgang Scheppach, Medizinische Klinik am Klinikum Würzburg Mitte, und Kollegen.

Insgesamt mussten 265 Gegenstände aus dem Intestinaltrakt extrahiert werden. Ganz oben auf der „Hitliste“ standen Stiele von Tee- und Esslöffeln, aber auch Glas- und Porzellanscherben. Manche Patientinnen nahmen Batterien, Magneten, Nägel, Messer oder Rasierklingen zu sich – mitunter in Kombination. Letzteres stellte die Endoskopiker meist vor Probleme, denn metallische Gegenstände und Magneten ergeben zusammen ein schwierig zu bergendes Konglomerat. Erstaunlicherweise waren die jungen Frauen bei der Vorstellung in der Gastroenterologie überwiegend beschwerdefrei.

Viele Stunden zwischen Ingestion und Endoskopie

Zwischen dem berichteten Zeitpunkt der Fremdkörperingestion bis zum Beginn der Endoskopie verstrichen im Mittel etwa neun Stunden. Um abzuschätzen, wie weit es der Gegenstand bereits durch den Verdauungstrakt geschafft hatte, veranlassten die Ärzte in den meisten Fällen p.a.-Röntgenaufnahmen von Abdomen und Thorax. Bei etwa jeder dritten Endoskopie entschieden sie sich für eine Schutzintubation, um beispielsweise Aspirationen zu vermeiden. Die Indikation für eine solche Intubation hängt unter anderem von Art und Anzahl der verschluckten Objekte, der berichteten Nüchternphase und der erwarteten Schwierigkeit des Bergungsmanövers ab, schreiben Prof. Scheppach und seine Kollegen.

Bei der Entfernung der Gegenstände aus Magen, Ösophagus oder Duodenum verwendeten die Gastroenterologen unterschiedliche Werkzeuge wie Endoskopiekatheter, Polypektomieschlingen, Fasszangen oder Fangnetze. So gelang es ihnen, die bedrohlichen Objekte erstaunlich komplikationsarm zu entfernen.

Wie schnell muss endoskopiert werden? Die Autoren unterscheiden folgende Dringlichkeitsstufen:

  • Eine notfallmäßige Endoskopie innerhalb von 2–6 Stunden erfolgt bei Fremdkörpern im Ösophagus mit kompletter Obstruktion (Aspirationsgefahr!) sowie bei scharfkantigen Objekten und Batterien im Ösophagus.
  • Eine dringliche Endoskopie innerhalb von 24 Stunden ist u.a. bei nicht komplett obstruiertem Ösophagus und bei scharfkantigen, langen oder breiten Objekten im Magen indiziert. Gleiches gilt bei Batterien und/oder Magneten im Magen.
  • Elektiv innerhalb von 72 Stunden kann die Endoskopie bei solchen Fremdkörpern durchgeführt werden, die nicht die oben genannten Kriterien erfüllen.

Bei den beschriebenen Borderline-Patientinnen besteht die wahre Herausforderung darin, ihre Motivation für eine Psychotherapie zu fördern und die Fixierung auf das selbstschädigende Verhalten aufzulösen. Der bekannteste Ansatz hierfür ist die dialektisch-behaviorale Therapie.

Quelle: Scheppach W et al. Z Gastroenterol 2022; 60: 779-783; DOI: 10.1055/a-1644-1823