Anzeige

Lungenfibrose, Mesotheliome, Eierstockkrebs: Langzeitfolgen von Asbest erkennen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei einem 64-Jährigen zeigen sich im Röntgenthorax pleurale Verdickungen nach früherer Asbestexposition. Bei einem 64-Jährigen zeigen sich im Röntgenthorax pleurale Verdickungen nach früherer Asbestexposition. © Science Photo Library
Anzeige

Der Einsatz von Asbest ist schon seit fast 30 Jahren verboten. Dennoch müssen Sie weiterhin mit brisanten Folgeerkrankungen rechnen – von der Lungenfibrose bis zum hochmalignen Tumor. Die aktuelle Leitlinie liefert Hinweise, wann Sie Verdacht schöpfen sollten und gibt Tipps, wie die weitere Abklärung am besten gelingt.

Das Tückische an den asbestbedingten Erkrankungen: Ihre Symptome sind oft uncharakteristisch, der Betroffene hat den Faserkontakt längst vergessen oder nie bemerkt. Außerdem beschränken sich die Auswirkungen der Asbestexposition keineswegs auf Lunge und Pleura. Hochmaligne Mesotheliome beispielsweise bilden sich auch in Perikard, Bauchfell oder Tunica vaginalis testis. Selbst Ovarialkarzinome können inzwischen als Berufskrankheit anerkannt werden.

Asbest im Eierstock

  • Das Ovarialkarzinom wurde 2017 in die Liste der asbestbedingten Berufskrankheiten aufgenommen. Hintergrund war die Beobachtung, dass Frauen mit verdoppeltem Risiko für ein asbestbedingtes Lungenmalignom auch ein 2,25-fach erhöhtes Sterberisiko für Eierstockkrebs tragen.
  • Voraussetzung für die Anerkennung sind die gleichen Kriterien wie beim Lungenkarzinom.

Zu den nicht-malignen Lungenveränderungen zählt die Asbestose, eine nicht-granulomatöse Fibrose mit chronisch-entzündlichen Begleitveränderungen. Klinisch macht sie sich mit einem langsam progredienten Reizhusten, (Belastungs-)Dyspnoe und thorakalem Engegefühl bemerkbar. Bei der Auskultation fällt ein feines Knisterrasseln auf. Im Sputum finden sich als Zeichen der körpereigenen Abwehrreaktion eventuell von Ferroproteinen umgebene Fasern, sogenannte Asbestkörperchen. Die Lungenfunktionsdiagnostik ergibt typischerweise eine restriktive Einschränkung, eine verminderte Diffusionskapazität, eine arterielle Hypoxämie sowie eine reduzierte Sauerstoffaufnahme. Häufig mischen sich aber restriktive mit ob­struktiven Einschränkungen, auch bei Nichtrauchern. Eine isolierte Obstruktion ist hingegen ungewöhnlich, betonen die Autoren der S2k-Leitlinie von DGP und DGAUM* unter Federführung von Professor Dr. Thomas Kraus, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Uniklinik RWTH Aachen. Die Röntgen-Thoraxaufnahme zeigt selbst bei ausgeprägtem Funktionsverlust oft nur relativ geringfügige Veränderungen und birgt ein hohes Risiko für Fehleinschätzungen. Deshalb muss der Befund im Verdachtsfall mittels hochauflösender Computertomographie (HRCT) abgeklärt werden. Allerdings erlaubt das darin ermittelte Fibrosemuster noch keinen Rückschluss auf die Ätiologie. Erst wenn sich zusätzlich Pleuraplaques nachweisen lassen, gilt die Asbest-Genese als hinreichend belegt. Zu den nicht-malignen Pleuraerkrankungen durch Asbest gehören:
  • Plaques,
  • diffuse Verdickung der seitlichen Brustwand (diffuse Fibrose),
  • Pleuritis, Erguss – auch ohne Asbestose – sowie
  • als Folgezustände bindegewebig-schwartige Veränderungen (Hyalinosis complicata) und Rundate­lektasen, die leicht mit Tumoren verwechselt werden.
Entgegen früheren Vorstellungen können bereits umschriebene Pleuraplaques die Lungenfunktion beeinträchtigen. Bei diffusen bzw. viszeralen Verdickungen drohen restriktive und obstruktive Einschränkungen, dazu kommt eventuell ein gestörter Gasaustausch. Der Nachweis pleuraler Veränderungen gelingt oft nur mittels CT bzw. HRCT. Eine Biopsie ist bei den benignen Asbesterkrankungen in der Regel nicht erforderlich.

Rauchen vervielfacht die Krebsgefahr

Asbestbedingte Bronchialkarzinome können allein durch die kanzerogenen Fasern oder im Zusammenwirken mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ausgelöst werden. Besonders hohe Gefahr besteht für Patienten mit asbestbedingten Pleuraveränderungen oder Lungenfibrose (einschließlich der nur histologisch nachweisbaren Minimalasbestose). Zusätzliches Zigarettenrauchen vervielfacht das Lungenkrebsrisiko. 

Vorsicht Heiserkeit

Auch Kehlkopfkarzinome können durch Asbeststaub ausgelöst werden. Zwei Drittel dieser Tumoren bilden sich an den Stimmbändern. Die dadurch bedingte Heiserkeit (bis hin zur Stimmlosigkeit) ermöglicht oft eine Frühdiagnose. Supraglottische Malignome verursachen dagegen anfangs nur unspezifische Symptome (z.B. Fremdkörpergefühl beim Schlucken). Patienten mit subglottischen Tumoren haben zunächst meist keine Beschwerden, gelegentlich kommt es zu Hämoptysen. Gesichert wird die Diagnose endoskopisch und histopathologisch. Epitheliale Vorstufen bis hin zum Carcinoma in situ erfüllen zwar nicht die Kriterien für eine Berufskrankheit, geben aber Anlass für Präventionsmaßnahmen.

Initial kaum Beschwerden beim Pleuramesotheliom

Zu den Frühzeichen zählen – wie bei pulmonalen Malignomen anderer Ätiologie – therapieresistenter Reizhusten und Hämoptysen. Ate­lektasen und bronchopneumonische Prozesse mit verzögerter Heilungstendenz wecken ebenfalls Krebsverdacht. Wegen der massiven Gefährdung muss man im Röntgenbild erkennbare Lungenpathologien bzw. Veränderungen gegenüber dem Vorbefund dringend weiter untersuchen – einschließlich Biopsie. Histologisch finden sich sämtliche bekannten Formen pulmonaler Malignome.

Asbestbedingte Berufskrankheiten

  • BK-Nr. 4103: Asbeststaublunge (Asbestose) und asbestbedingte Erkrankung der Pleura
  • BK-Nr. 4104: Lungen-, Kehlkopf- oder Ovarialkarzinom in Verbindung mit einer Asbestose, einer asbestbedingten Pleura­erkrankung oder einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre])
  • BK-Nr. 4105: Durch Asbest verursachtes Mesotheliom von Pleura, Peritoneum oder Perikard
  • BK-Nr. 4114: Malignom der Lunge infolge des Zusammenwirkens von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.

Ein weiterer asbestbedingter Tumor ist das Pleuramesotheliom. Diese hochmaligne Neubildung verursacht häufig zu Beginn kaum Symptome und fällt am ehesten aufgrund persistierender oder rezidivierender Pleuraergüsse auf. Bildgebende Verfahren zur Frühdiagnostik gibt es bisher nicht. Klinische Symptome wie Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Husten und Auswurf verursachen Mesotheliome meist erst im fortgeschrittenen ­ Stadium. Die Leitlinienautoren fordern deshalb, neu aufgetretene oder progrediente Läsionen in Brustwand-Sonographie oder Röntgenthorax bei asbestexponierten Personen immer als tumorverdächtig einzustufen. Die Veränderungen sollten computertomographisch weiter abgeklärt werden, vorzugsweise mit einer Mehrzeilen-Spiral-CT. Diese Untersuchung ermöglicht eine dreidimensionale Beurteilung der Ausdehnung einschließlich Invasion in benachbarte Strukturen wie Thoraxwand, Zwerchfell und Mediastinum. Die Technik eignet sich auch zur Diagnostik peritonealer Mesotheliome. Sie machen sich anfangs mit unklaren Bauchbeschwerden, Obstipation und Aszites bemerkbar. Später kann sich ein Ileus entwickeln.

* Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin

Quelle: S2k-Leitlinie „Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten“, AWMF-Register-Nr. 002-038, www.awmf.org