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Diabetestherapie Mit App und smarter Spritze

Autor: Dr. Franziska Hainer

Ein Smart-Pen sendet Daten wie Dosis und Uhrzeit der Injektion ans Handy. So erleichtert die schlaue Spritze die Dokumentation. Ein Smart-Pen sendet Daten wie Dosis und Uhrzeit der Injektion ans Handy. So erleichtert die schlaue Spritze die Dokumentation. © Azat Valeev – stock.adobe.com
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Es gibt immer mehr innovative Medizinprodukte für Diabetiker. Ein multimodaler Ansatz, bestehend aus digitalen Anwendungen und Hightechgeräten, verbessert die Zuckereinstellung und steigert die Lebensqualität. Die modernen Hilfsmittel reichen von Apps bis zu schlauen Socken.

Diabetespatienten benötigen eine individualisierte Dauertherapie. Kernziele bei der Weiterentwicklung therapeutischer Optionen sind die Reduktion der Krankheitslast und die Stärkung des Selbstmanagements, schreibt Dr. ­Markus ­Menzen vom Diabeteszentrum am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn. Um das zu gewährleisten, steht inzwischen eine Reihe von technischen Lösungen parat bzw. ist kurz vor der Marktreife.

Telemedizin

Videosprechstunden werden mittlerweile von ca. zwei Dritteln der diabetologischen Einrichtungen angeboten. Via Telemedizin sehen Ärzte und Patienten zusammen die AGP (ambulante Glukose-Profile) an, die mithilfe der kontinuierlichen Glukosemessung aufgezeichnet wurden, und besprechen die Ergebnisse. Aktuell am häufigsten verwendet werden die Auswertungstechnologien LibreView, Clarity und ­AccuCheck Smart Pix. Bisher sind die Systeme untereinander meist nicht kompatibel. Eine gesetzliche Verordnung soll jetzt Abhilfe schaffen. Ergänzt wird das telemedizinische Angebot durch E-Rezept und Online-Schulungen.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Digitale Medizinprodukte gewinnen zunehmend an Relevanz. Zwei Drittel der Patienten bewerteten Diabetes-Apps in einer Umfrage als bedeutend. Von den befragten Ärzten teilten dagegen nur 20 % die positive Einschätzung der Patienten. Diabetes-Apps erleichtern die Dokumentation und das Selbstmanagement, je nach Anbieter geben sie auch psychologische Hilfestellung. Aktuell für die Indikation Diabetes verschreibungsfähig sind die DiGA Esysta App&Portal – digitales Diabetesmanagement, HelloBetter Diabetes und Depression sowie Vitadio.

Continuous-Glucose-Monitoring-System (CGMS)

Patienten, die eine intensivierte Insulintherapie benötigen, profitieren von einem System zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), wie etwa verbesserte HbA1c-Werte zeigen. Auch Akutkomplikationen, insbesondere Hypoglykämien, treten unter Nutzung des Systems seltener auf. Aus den Messdaten des CGM wird die sog. „Time in Range“ (TiR) berechnet. Dieser Parameter steht für den Zeitanteil, in dem die Sensorglukosewerte zwischen 70 und 180 mg/dl lagen. Neben dem HbA1c gilt die TiR als valider Indikator für die Glukosekontrolle und das Risiko für Diabetesfolgeschäden. Zwischen den Messungen des HbA1c lässt sich mithilfe der CGM-Daten ein Näherungswert berechnen (Glukose-Management-Indikator), der ebenfalls eine Beurteilung der Stoffwechsel­einstellung ermöglicht. Weil CGM-Systeme bei Typ-2-Diabetikern mit basal unterstützter oral-antidia­betischer Therapie zu signifikant besseren Zuckerwerten führten, empfehlen amerikanische Fachgesellschaften die Anwendung auch für diese Patientengruppe. Es gibt gute Erfahrungen mit dem Einsatz von CGM-Systemen für Diabetes-Schulungen. Die Zusammenhänge lassen sich mithilfe der Geräte praxisnah und anschaulich vermitteln, weshalb Dr. Menzen für eine Verschreibungsfähigkeit für diesen Zweck plädiert.

Smart-Pen

Der Smart-Pen zeichnet Informationen wie Insulinart, Dosis und Zeitpunkt der Gabe auf – und bietet dadurch eine Entlastung bei der Dokumentation. Kombiniert mit der geeigneten Software wird aus den gespeicherten Daten ein Mehrwert für das Therapiemanagement generiert. AGP-Protokolle und erfolgte Insulingaben gemeinsam zu betrachten, erleichtert die Analyse von Stoffwechselentgleisungen. Beispiele für Smart-Pens sind NovoPen 6, NovoPen Echo Plus, Tempo-Pen, InPen und Esysta-Pen.

Insulinpumpentherapie, AID-Technologien

Insulinpumpen, die bei drohender Hypoglykämie einen Stopp der Insulinzufuhr auslösen, sind bereits erprobt. Neue Systeme bieten komplexere Funktionen. AID- (Automated Insulin Delivery) oder HCL-Systeme (Hybrid Closed Loop) sind mit Algorithmen ausgestattet, die auf Grundlage des CGM die Insulinzufuhr anpassen und zukünftige Gaben entsprechend den prognostizierten Glukoseverläufen berechnen. So wird die TiR erhöht; Hypo- und Hyperglykämien treten seltener auf. Vor allem schlecht eingestellte Typ-1-Diabetiker mit intensivierter Insulintherapie und CGM-Systemen profitieren von einer Umstellung auf ein AID-System. Zukünftig sollen die Insulinbolusgaben vor den Mahlzeiten automatisch erfolgen. In Studien werden hierzu Pumpen, die eine multihormonale Therapie applizieren, untersucht. Beispiele für AID-Technologien sind Ypsopump, Kaleido Pump, verschiedene Minimed-Modelle und T-Slim X:2.

Wearables

Wearables entfalten ihre Wirkung während des Tragens am Körper. Für Menschen mit Diabetes neu entwickelte Produkte gehen weit über die verbreitete Schrittzählerfunktion hinaus. Da gibt es beispielsweise eine App, die typische Armbewegungen erkennt und den Anwender fragt, ob er gerade esse – um dann an eine gegebenenfalls nötige Bolusgabe zu erinnern. Noch weiter geht die Klue-App. Sie soll über den gleichen Mechanismus den Mahlzeitenbolus einer Insulinpumpe autonom steuern.

Forschung und Entwicklung setzen auf „Digital Healing“ von Kopf bis Fuß. Mittels KI-Technologie soll der Augenhintergrund automatisch gespiegelt werden. Die Bilder könnten zur Früherkennung der diabetischen Retinopathie direkt mit Voraufnahmen verglichen werden. Smart-Socks mit integrierten Drucksensoren kommen zukünftig beim diabetischen Fußsyndrom zum Einsatz oder verhindern es bereits im Vorfeld.

Quelle: Menzen M. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 288-293; DOI: 10.1055/a-1911-2926