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Diabetische Neuropathie Mit Stromimpulsen gegen Schmerzen

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Die Behandlung führt auch zu Verbesserungen bei Reflexen, Motorik, Schlaf- und Lebensqualität. Die Behandlung führt auch zu Verbesserungen bei Reflexen, Motorik, Schlaf- und Lebensqualität. © whitehoune – stock.adobe.com
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Etwa ein Viertel aller Diabetespatienten entwickelt eine schmerzhafte Polyneuropathie. Wenn die medikamentöse Behandlung versagt oder wegen starker Nebenwirkungen abgebrochen werden muss, können Methoden der Neurostimulation eine Option sein.

Die erste Maßnahme bei einer schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie ist die Optimierung der glykämischen Einstellung. Als gezielte medikamentöse Therapien kommen verschiedene Antiepileptika, Antidepressiva und topische Behandlungen (z.B. Capsaicincreme, Lidocainpflaster) infrage, bei ausbleibendem Erfolg auch Opioide. Jedoch sind die Abbruchraten bei diesen Behandlungen aufgrund von Nebenwirkungen und mangelnder Wirksamkeit hoch. In solchen Fällen kann es sich lohnen, zusätzlich oder alternativ verschiedene Ansätze zur Neurostimulation zu versuchen. Das berichten Forscher um Prof. Dr. ­Eric ­Wang vom Johns Hopkins Hospital in Baltimore in einer aktuellen Übersichtsarbeit.

Die meisten Veröffentlichungen gibt es demnach zur Rückenmarkstimulation. Deren Wirkung soll darauf beruhen, dass hemmende Interneuronen im Dorsalhorn aktiviert werden, welche die Weiterleitung von Schmerzsignalen blockieren („Gate-Control-Theorie“) – der genaue Mechanismus ist allerdings noch unklar. Die verfügbaren Geräte unterscheiden sich hauptsächlich in der Art des Stimulus, den sie erzeugen.

Etabliert ist die tonische Stimulation, die schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird. Hierzu fanden die Autoren zwei randomisierte, kontrollierte Untersuchungen sowie mehrere offene Beobachtungsstudien. 

Anhaltende Erfolge nach Rückenmarkstimulation

Demnach führt die Rückenmarkstimulation zusätzlich zur medikamentösen Therapie bei rund 60 % der Patienten zu einer Schmerzreduktion um mehr als die Hälfte, während unter Medikation allein nur 5–7 % der Patienten dieses Ziel erreichen. Auch nach mehreren Jahren berichteten immer noch mehr als die Hälfte der Patienten von einer guten Wirksamkeit der Behandlung.

Zur sogenannten Burst-Methode, bei der die Stimulation stärker gepulst verabreicht wird, fand das Team um Prof. Wang eine offene prospektive Untersuchung mit zwölf  Patienten, die lediglich einen Zeitraum von zwei Wochen abdeckte. Darin verringerten sich die Schmerzen, die sich zuvor bereits unter Behandlung mit tonischer Stimulation verbessert hatten, noch etwas mehr.

Für die High-Frequency-Rückenmarkstimulation liegt eine randomisierte Studie mit 216 Patienten vor. Nach sechs Monaten erreichten 85 % der Teilnehmer mit Stimulation plus Medikamenten eine Schmerzreduktion um mehr als die Hälfte, verglichen mit lediglich 5 % unter rein medikamentöser Therapie. Dazu zeigten sich Verbesserungen z.B. bei motorischen Funktionen, der Berührungssensibilität und Reflexen sowie in der Schlaf- und Lebensqualität.

Unerwünschte Ereignisse treten bei der Rückenmarkstimulation vor allem rund um die Implantation auf, z.B. in Form von Verschiebungen der Elektrode, Infektionen, Schmerzen an der Implantationsstelle des Stimulators oder Wunddehiszenz.

Ein anderes Verfahren zur Neuromodulation ist die TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation). Wie die Rückenmarkstimulation beruht sie auf der Inhibition der nozizeptiven Transmission im Hinterwurzelganglion, jedoch erfolgt die Stimulation der A-beta-Fasern nichtinvasiv. In einer randomisierten, kontrollierten prospektiven Studie mit 19 Patienten zeigten sich eine Reihe von Verbesserungen unter einer TENS im Vergleich zu einer Scheinbehandlung. In anderen Untersuchungen konnte keine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Dabei kamen allerdings auch zahlreiche unterschiedliche Wellenformen, Frequenzen und Intensitäten zum Einsatz, weshalb generelle Schlussfolgerungen zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit zu diesem Zeitpunkt nicht möglich sind.

Signalmodulation im schmerzenden Areal

Bei der Scrambler-Therapie werden ständig wechselnde Stimuli erzeugt und transkutan entlang des Dermatoms des schmerzhaften Areals appliziert. Ziel ist es, die nozizeptiven Signale der C-Fasern so zu modulieren, dass diese nicht mehr als schmerzhaft empfunden werden. In zwei Fallberichten zeigte sich eine gute Wirksamkeit bei diabetischer Neuropathie.

Die periphere Nervenstimulation schließlich hat in den vergangenen Jahren eine deutliche Weiterentwicklung erfahren und wird zunehmend bei verschiedenen Schmerzen (z.B. im unteren Rücken oder nach Amputationen) eingesetzt. Untersuchungen zur diabetischen Neuropathie gibt es bislang allerdings nicht.

Die Autoren schlussfolgern, dass Verfahren zur Neurostimulation einen vielversprechenden Ansatz darstellen. Es müsse jedoch dringend weiter erforscht werden, welche Geräte und Stimulationsformen mit Blick auf ihre Effektivität, Sicherheit und Praxistauglichkeit am besten funktionieren.

Quelle: Wang EJ et al. Pain Physician 2022; 25: E1161-E1171