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  Mythos „Männerschnupfen“: Geschlechterunterschiede in der Infektiologie

DGIM 2021 Autor: Kathrin Strobel

Geschlechterunterschiede bei Infektionskrankheiten beruhen unter anderem auf Genen, Sexualhormonen und auf dem Verhalten. Geschlechterunterschiede bei Infektionskrankheiten beruhen unter anderem auf Genen, Sexualhormonen und auf dem Verhalten. © iStock/marcduf
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Es gibt zahlreiche Klischees darüber, wie unterschiedlich Frauen und Männer mit Krankheiten umgehen. Ganz aus der Luft gegriffen sind manche von ihnen nicht.

Hat das Immunsystem ein Geschlecht? „Ja“, lautete die klare Antwort von Professor Dr. Clara­ Lehmann­ von der Infektiologie des MVZ des Universitätsklinikums Köln. Bei zahlreichen Infektionskrankheiten lassen sich Geschlechterunterschiede beobachten, sei es in Bezug auf das Ansteckungsrisiko oder im Hinblick auf Verlauf und Prognose. 

Ein Beispiel ist die Tuberkulose, die bei Männern deutlich häufiger vorkommt als bei Frauen. Dieser Unterschied kann verhaltensbedingt sein, erklärte die Kollegin. So rauchen Männer beispielsweise eher als Frauen. Ein weiterer möglicher Grund: Die Sputumentnahme fällt bei Männern tendenziell leichter als bei Frauen. „Die haben weniger Hemmungen, so richtig von unten was rauszuholen“, wie die Referentin es ausdrückte. Und das beeinflusst natürlich die Trefferquote bei entsprechenden Untersuchungen. Wahrscheinlich sind Männer aber insgesamt anfälliger für die Infektion. Final geklärt ist das nicht.

Die akute Hepatitis C heilt bei Frauen häufiger spontan aus als bei ihren männlichen Leidensgenossen. Im Hinblick auf die Infektion mit HIV scheinen wiederum Männer einen leichten Vorteil zu haben: Bei gleicher Viruslast ist ihr Risiko, an AIDS zu erkranken, niedriger als das von Frauen. Allerdings haben Letztere im Schnitt eine geringere Viruslast, was den Effekt abschwächt.

Insgesamt zeigen die Immunzellen von Frauen bei Infektionen eine höhere Aktivität. Laut Prof. Lehmann ist das ein zweischneidiges Schwert: Zwar reduziert sich dadurch die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten. Allerdings erhöht sich gleichzeitig das Risiko, Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. 

Bei Impfungen haben Frauen meist stärkere Nebenwirkungen als Männer. Ganz aktuell zeigt sich das bei der Vakzinierung gegen SARS-CoV-2: Sowohl beim BioNTech/Pfizer- als auch beim Moderna-Impfstoff betrug das weiblich/männlich-Verhältnis im Hinblick auf die gemeldeten Nebenwirkungen fast 80:20. Gleichzeitig bilden Frauen nach einer Impfung in der Regel schneller mehr Antikörper als Männer. Gut belegt ist das z.B. für die Grippeimpfung.

Noch zwei Worte zu SARS-CoV-2: Bekanntermaßen haben Männer ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Frauen jedoch leiden deutlich häufiger an den Langzeitfolgen der Erkrankung, dem sogenannten Post-COVID- oder Long-COVID-Syndrom. Auch hier ist die Frage, ob es sich wirklich um einen biologischen Unterschied handelt – oder ob Frauen beispielsweise eher von Beschwerden wie Müdigkeit oder Fatigue berichten als Männer.

Fest steht: „Frauen sind anders“, wie Prof. Lehmann betonte. Und zwar nicht nur aufgrund der Gene, sondern auch durch den Einfluss sexueller Hormone. Und manche Unterschiede sind schlichtweg verhaltensbedingt. Ob sich damit auch der berühmt-berüchtigte Männerschnupfen erklären lässt, bleibt vorerst ungeklärt.

Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung