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Nach der WM: Mikrobielle Kontakte in Russland können für ein Eigentor sorgen

Autor: Dr. Susanne Gallus/Birgit Maronde

Nach dem Spiel bei jemand anderem getröstet? 
Na, hoffentlich mit Kondom! Nach dem Spiel bei jemand anderem getröstet? Na, hoffentlich mit Kondom! © Fotolia/Kalim
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Fußball-Begeisterte bringen von ihrem WM-Trip nach Russland womöglich nicht nur schöne Erinnerungen und Fan-Artikel mit. Der ein oder andere dürfte auch eine Infektionskrankheit im Gepäck haben.

Das Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat es mit seinen Ratschlägen für WM-Besucher sicher gut gemeint: Ausreichend auf Hygiene achten, bei Essen und Getränken vorsichtig sein, große Menschenansammlungen und Krankenhausaufenthalte vermeiden, heißt es.

Zumindest die Empfehlungen zu den Krankenhausaufenthalten (wer macht das schon freiwillig?) und den Menschenmassen erscheinen allerdings wie graue Theorie. Pro WM-Spiel werden um die 50 000 Zuschauer erwartet – das Luschniki-Stadion in Moskau fasst sogar 80 000 – und die werden sich u.a. bei den Einlasskontrollen und vor den Bier- und Frittenbuden in der Halbzeit knäulen – Erreger­übertragungen nicht ausgeschlossen.

Eine der potenziellen Gefahren ist die Tuberkulose. Immerhin wurden im letzten Jahr in Russland 66 568 neue Fälle aktiver Tb registriert. Die Zahl der an die ECDC und die WHO gemeldeten „frischen“ und Rezidiv-Tuberkulosen lag 2016 bei 92 407! Fast die Hälfte der getesteten Erreger erwies sich als multiresistent. Dennoch wertet die ECDC das Risiko von EU-Bürgern, sich anzustecken, als sehr gering, es sei denn man befindet sich „längere Zeit in überfüllten Räumen in sozial schwachen Kommunen.“

Die Zahl der Mumpsfälle nimmt in Russland stetig zu

Vorausgesetzt der WM-Reisende ist ausreichend geimpft, besteht für ihn kaum eine Gefahr, an Masern, Mumps oder Keuchhusten zu erkranken. Die Ungeimpften gehen dagegen womöglich ein Risiko ein. So kam es in der Moskauer Region dieses Jahr bereits zu Masernausbrüchen, die Zahl der Mumpsfälle nimmt in Russland stetig zu – im letzten Jahr wurden 4443 Fälle erfasst – und auch Keuchhusten ist mit 5400 gemeldeten Infektionen keine Seltenheit.

Was ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, ist eine Influenza. Zwar zirkuliert das Virus in diesen Monaten nicht mehr auf der Nordhalbkugel, es kann aber von infizierten WM-Besuchern aus dem „Süden“ durchaus importiert werden.

Die größte Infektionsgefahr besteht durch Essen und Trinken, zumindest dann, wenn man nicht abgepackte Getränke konsumiert, die Eisdiele besucht, ungewaschenes Obst oder nicht durchgegarte Speisen isst. Vor dem Norovirus ist der Fußballfan allerdings auch dann nicht gefeit. Beispiel: die diesjährigen Olympischen Winterspiele in Südkorea, wo das Virus unter Sportlern, Betreuern und Besuchern grassierte. Da bei der Fußballweltmeisterschaft oft reichlich Alkohol fließt und eventuell eine gewisse Gruppendynamik im Spiel ist, dürfen auch durch Köperflüssigkeiten übertragene Mitbringsel nicht außer Acht gelassen werden: Lues, Gonorrhö, Hepatitiden und HIV-Infektion. Russland hat im europäischen Raum die höchste HIV-Melderate. Allein 2016 kamen pro 100 000 Einwohner 72 neue Fälle hinzu.

Die FSME tritt endemisch in den meisten Regionen Russlands auf. Jedes Jahr werden etwa 2000 Fälle gemeldet. Die Borreliose ist beim WM-Gastgeber ebenfalls heimisch. Nach einem Zeckenstich können solche Souvenire also nicht ausgeschlossen werden, obwohl die ECDC das Risiko als gering einschätzt.

In den Krankenhäusern lauern multiresistente Keime

Weitere durch Vektoren übertragene Krankheiten, die aus Russland mitgebracht werden könnten, sind die Tollwut – vor allem in ländlichen Regionen und „armen“ Stadtteilen sind nur wenige Hunde geimpft – und das durch Hantaviren ausgelös­te haemorrhagische Fieber mit renalem Syndrom. 8298 Fälle wurden im letzten Jahr registriert.

Muss ein WM-Besucher aus welchen Gründen auch immer in Russ­land ins Krankenhaus, besteht die Gefahr, dass er sich multiresistente Keime einfängt, warnt die ECDC. Daten aus 26 städtischen Kliniken der Maximalversorgung sprechen dafür, dass dort 23 % aller Staph.-aureus-Isolate multiresistent sind. 91 % der Isolate von Klebsiella pneumoniae trotzen Cephalosporinen der dritten Generation und 12 % Carbapenemen. Pseudomonas aeruginosa ist zu 49 %, Acinetobacter zu 74 % resistent gegenüber Carbapenemen.

Quelle: Rapid Risk Assessment des European Centre for Disease Prevention and Control vom 28.05.2018