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Virushepatitiden Neuigkeiten von A bis E

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Virale Hepatitiden haben weiterhin große Bedeutung für die Bevölkerung und es sollten daher alle Maßnahmen ergriffen bzw. verschärft werden. Virale Hepatitiden haben weiterhin große Bedeutung für die Bevölkerung und es sollten daher alle Maßnahmen ergriffen bzw. verschärft werden. © iStock/Rasi Bhadramani
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In Sachen Prävention und Therapie von Virushepatitiden gab es in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte. Verschwunden sind die Infektionen deswegen aber noch lange nicht. Das Robert Koch-Institut gibt einen Überblick über die epidemiologische Lage in Deutschland.

Dank der Meldepflicht für die Hepatitiden A bis E lassen sich die Fallzahlen in Deutschland recht gut überblicken. Dr. Sandra Dudareva von der Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert Koch-Institut in Berlin und Kollegen haben die wichtigsten Daten zusammengetragen.

Hepatitis A

Mehr als 70 % der Erwachsenen, die sich mit dem Hepatitis A-Virus (HAV) infizieren, entwickeln eine akute symptomatische Hepatitis. Die Infektion chronifiziert nicht, es gibt aber protrahierte Verläufe und auch Rezidive. HAV wird fäkal-oral übertragen. Deutschland gilt als Niedriginzidenzland für die Hepatitis A. Seit 2001 ging die Zahl der Meldungen deutlich zurück. 2001 waren es noch 2.276 Fälle, von 2018 bis 2020 kamen insgesamt 2.476 Infizierte zusammen, was einer mittleren Inzidenz von 1,0 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr entspricht. Die höchsten Inzidenzen gibt es bei 5- bis 29-Jährigen und über 70-Jährigen, Männer und Frauen infizierten sich in den letzten drei Jahren etwa gleich häufig. Die meisten Deutschen stecken sich hierzulande an. Es werden immer mehr Ausbrüche durch kontaminierte Lebensmittel registriert, die aus Endemiegebieten ins Land kommen, z.B. Datteln oder gefrorene Beeren und Produkte daraus, wie Smoothies oder Torten.

Hepatitis B

HBV-Infektionen können akut oder chronisch verlaufen, mit oder ohne Symptome. Als chronisch werden sie definiert, wenn sich das HBV-Oberflächenantigen (HBsAg) länger als sechs Monate nachweisen lässt. Das betrifft etwa 5 % der infizierten Erwachsenen. HBV wird vor allem beim Sex und durch Kontakt mit kontaminiertem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten übertragen. Zwischen 2001 und 2009 gingen die Zahlen gemeldeter HBV-Infektionen erheblich zurück, was wohl auf dem erhöhten Impfschutz beruhte. Zwischen 2009 und 2014 stagnierten sie, seit 2015 nehmen die Zahlen wieder stark zu. Das dürfte aber daran liegen, dass seitdem auch rein labordiagnostisch festgestellte Infektionen gemeldet werden müssen, egal, wie sie sich klinisch präsentieren.

Für die Jahre 2018 bis 2020 wurden insgesamt 20.252 Fälle gemeldet. Daraus errechnet sich eine durchschnittliche Inzidenz von 8,1 Infektionen pro 100.000 Einwohnern und Meldejahr. Unter Männern liegt sie höher (9,6 vs. 6,5), am häufigsten erwischt es Menschen zwischen dem 25. und 49. Lebensjahr. 42 % aller Betroffenen haben sich vermutlich im Ausland angesteckt. Unter den Übertragungsorten bzw. -wegen dominierten in den letzten drei Jahren Wohngemeinschaften mit einem Virusträger (41,2 %), sexuelle Kontakte (24,5 %) und i.v.-Drogenkonsum (23,0 %).

Hepatitis C

Wie HBV kann auch HCV akute oder chronische Entzündungen auslösen, die Grenze dafür liegt ebenfalls bei einer Viruspersistenz von sechs Monaten. HCV nistet sich bei 85 % der Infizierten dauerhaft ein und die chronische Infektion ist hauptverantwortlich für Morbidität und Mortalität dieser Hepatitis. HCV gelangt in erster Linie auf parenteralem Wege, hierzulande vor allem durch i.v.-Drogenkonsum, in den Körper.

Für die Jahre 2018 bis 2020 erhielt das RKI Meldung über 16.392 aktive HCV-Infektionen. Das entsprach einer durchschnittlichen Inzidenz von 6,6 Infektionen pro 100.000 Einwohnern und Meldejahr. Davor gab es seit 2005 einen abnehmenden Trend, seit 2009 hat er sich verlang­samt. Die Inzidenz liegt bei Männern höher (9,2 vs. 4,0). Sie erkranken am häufigsten im Alter zwischen 30 und 49 Jahren, Frauen zwischen 30 und 39 Jahren. 81 % aller Ansteckungen finden im Inland statt.

Die verfügbaren Impfungen

Die Impfung gegen Hepatitis A wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allen Reisenden in Gebiete mit hoher Hepatitis-A-Inzidenz und Menschen mit erhöhtem beruflichem oder sexuellem Expositionsrisiko (z.B. Männer, die Sex mit Männern haben, MSM), empfohlen. Man kann sich auch postexpositionell bis zu 14 Tage nach Kontakt zu einem Kranken mit einem monovalenten Hepatitis-A-Impfstoff immunisieren lassen. Das rät die STIKO vor allem Personen in Gemeinschaftseinrichtungen. Die Impfung gegen Hepatitis B gehört seit 1995 zum Katalog der empfohlenen Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit bestimmten Indikationen. Die Abdeckung erreicht bei Kindern 65,8 bis 90,5 % – weit weg vom Ziel von 95 %. Bei einigen Indikationsgruppen, z.B. MSM, liegt sie unter 60 %.

Hepatitis D

HDV ist ein inkomplettes Virus, das für seine Replikation und die Bildung infektiöser Partikel das Hüllenprotein vom HBV braucht und die gleichen Übertragungswege nutzt. Entsprechend sind HDV-Erkrankungen entweder Ko- oder Superinfektionen. Nach einer Superinfektion chronifizieren 70–90 % der HDV-Fälle. Im Durchschnitt lag in den Jahren 2018 bis 2020 die bundesweite Inzidenz unter 0,1 Infektionen pro 100.000 Einwohner und Meldejahr. Wie bei HBV haben Männer eine höhere Inzidenz (0,09 vs. 0,05) und die Altersgruppe der 30-bis 49-­Jährigen steckt sich am häufigsten an.

Hepatitis E

Früher als Rarität betrachtet, gilt die Infektion mit HEV heute als häufige lebensmittelbedingte Zoonose, die meist akut verläuft. Die seltenen Chronifizierungen betreffen v.a. Immunsupprimierte. Die Ansteckung mit HEV erfolgt in erster Linie über den Konsum von infiziertem Fleisch, z.B. von Haus- oder Wildschweinen. In den ersten Jahren nach Einführung des Infektionsschutzgesetzes wurden zwischen 2001 und 2003 etwa 20–30 überwiegend importierte Fälle pro Jahr gemeldet. 2019 erfasste man mehr als 3700 klinisch-labor­diagnostisch gesicherte Infektionen, in der Mehrzahl (93,7 %) ohne Reiseanamnese. Damit stieg die Inzidenz von 0,03 auf 3,94 Fälle pro 100.000 Einwohnern und Jahr. Erkrankte aus der Gruppe der 30- bis 79-Jährigen machen beinahe drei Viertel der Gemeldeten aus, mit einem Gipfel in der sechsten Lebensdekade. Die Zahlen dürften die Situation nur unzureichend abbilden, da wohl mehr als 90 % der Infektionen asymptomatisch oder nur mit leichten Beschwerden verlaufen und komplett ausheilen. Dadurch werden sie häufig gar nicht erfasst. 2020 waren die Meldezahlen für alle Hepatitiden erniedrigt, was die Infektiologen auf die hohe Belastung der Gesundheitsdienste durch die Coronapandemie zurückführen, die sich auf die Meldung, Erfassung und Übermittlung aller meldepflichtigen Infektionskrankheiten auswirkte. Virale Hepatitiden haben nach Aussage der Autoren weiterhin große Bedeutung für die Bevölkerung und es sollten daher alle Maßnahmen ergriffen bzw. verschärft werden, um davor zu schützen. Das heißt: aufklären, screenen, Lebensmittel sicherer machen, Infektionsketten verfolgen, und – im Fall von HAV und HBV – mehr ­impfen.

Quelle: Dudareva S et al. Bundesgesundheitsbl 2022; DOI: 10.1007/s00103-021-03478-8