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Prostatakarzinom So sähe ein sinnvolles PSA-Screening aus

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Durch ein Prostatakarzinom gelangt deutlich mehr PSA (blau) in die Zirkulation. Durch ein Prostatakarzinom gelangt deutlich mehr PSA (blau) in die Zirkulation. © Science Photo Library/Science Source/DNA Illustrations
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Der Nutzen von PSA-Tests zur Prostatakrebsfrüherkennung ist nach wie vor unklar. Ein Grund dafür: sie führen zur Überdiagnostik von klinisch nicht bedeutsamen Tumoren. Ein risikoadaptiertes Screening soll einen Ausweg aus dem Dilemma bieten.

Die große europäische ERSPC-Studie zum populationsbasierten PSA*-Check hat zwar eine Mortalitätsreduktion um mehr als 20 % gezeigt. Doch um nur einen einzigen Todesfall innerhalb von 13 Jahren zu verhindern, müssten 26 Männer behandelt werden – ohne Nutzen für die übrigen 25. Stattdessen resultieren möglicherweise gravierende Schäden wie Inkontinenz und erektile Dysfunktion.

Um diese Übertherapie zu vermeiden, plädieren Dr. ­Rouvier ­Al-Monajjed und Kollegen von der Universitätsklinik Düsseldorf für ein risikoangepasstes Screening. Dabei könne man sich die starke Assoziation zwischen dem in jüngeren Jahren gemessenen Basis-PSA-Wert und dem langfris­tigen Risiko für die karzinomspezifische Morbidität und Mortalität zunutze machen. Im Alter werden PSA-Spiegel von 1,5–3 ng/ml als Normalbefund gewertet. Bei Männern im Alter zwischen 40 und 50 Jahren hingegen signalisieren sie ein neunfach erhöhtes Risiko, Jahrzehnte später am Vorsteherdrüsenkrebs zu sterben.

Mit einer intensiven Überwachung der 10 % mit den höchsten Basiswerten könnte man fast die Hälfte der letalen Karzinome entdecken, rechnen die Autoren vor. Die meisten jungen Männer mit Ausgangswerten unter 1,5 ng/ml bräuchten nur zwei weitere Tests im Alter zwischen 51 und 55 sowie mit 60 Jahren, um ihr Risiko für ein metastasiertes oder tödliches Karzinom massiv zu senken. Mit diesem Vorgehen würde auch die Zahl der Überdiagnosen und Überbehandlungen abnehmen, so die Einschätzung der Onkologen.

Tastuntersuchung bei 45-Jährigen wohl ohne Nutzen

In der deutschen PROBASE-Studie wird der Nutzen des risikoadaptierten PSA-Screenings prospektiv untersucht, wobei zwei unterschiedliche Termine für den Beginn des Screenings geprüft werden. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob eine Verzögerung des Screeningstarts vom 45. auf das 50. Lebensjahr eine höhere Spezifität bei gleichbleibender Sensitivität bringt. Die mehr als 46 000 Teilnehmer im Alter von 45 Jahren sind rekrutiert und die Männer im Studienarm A haben bereits einen PSA-Test erhalten. Diejenigen im Studienarm B müssen sich noch fünf Jahre gedulden, können sich bis dahin aber einmal im Jahr digital-rektal untersuchen lassen.

Die bislang durchgeführten Tests offenbaren, dass die Zusammensetzung der Probandengruppe derjenigen von retrospektiven Kohorten entspricht: Rund 90 % der 45-Jährigen hatten einen PSA-Wert im niedrigen Risikobereich (< 1,5 ng/ml). Ein Karzinom wurde nur bei 0,2 % von ihnen entdeckt. Die Tastuntersuchung scheint in dieser Altersgruppe keinen Nutzen zu bringen. Bei nur 1 % der Teilnehmer wurde der Befund als suspekt gewertet, lediglich in 5 % der Fälle fand sich letzten Endes ein Karzinom. Die Malignomrate in diesem Kollektiv lag demnach bei 0,05 %.

Durch das Basis-Screening werden wahrscheinlich mehr Prostata­tumoren vor dem 55. Lebensjahr entdeckt, schreiben die Autoren. Bisherige Daten deuten darauf hin, dass es sich bei diesen Karzinomen um einen eigenen Phänotyp handelt. Betroffene haben eine höhere Mortalität als Männer mit später diagnostiziertem Krebs, wobei die über 80-Jährigen eine Ausnahme bilden. Die Mehrzahl dieser früh auftretenden Malignome wird in einem Stadium mit niedrigem Risiko gefunden. Für die Betroffenen erscheint deshalb die aktive Überwachung am sichersten zu sein. Dieses Prozedere ist Studien zufolge auch längerfristig mit einer geringen Metastasierungsrate verbunden und vermeidet die gravierenden Folgen einer invasiven Behandlung. Die Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. ­Niklas ­Westhoff von der Universitätsmedizin Mannheim ist fest davon überzeugt, dass eine intelligente Früherkennung des Prostatakarzinoms mehr Nutzen als Schaden bringt.

Allerdings sollte der Patient schon bei der Aufklärung zur Früherkennungsdiagnostik über die Folgen und Nebenwirkungen einer sich eventuell anschließenden kurativ intendierten Therapie aufgeklärt werden. Gleichzeitig plädieren die Mannheimer Urologen dafür, auch die möglichen Konsequenzen des Unterlassens korrekt darzustellen.

Wichtige Grundlage zur Einschätzung des individuellen Risikos ist auch für sie der zum richtigen Zeitpunkt erhobene Baseline-PSA-Wert – sofern der Patient dies wünscht. Die Kostenübernahme durch die Gesetzlichen Krankenkassen ist ihrer Meinung nach nicht am mangelnden Nutzen gescheitert, sondern am noch vorhandenen Forschungsbedarf zur Früherkennung.

Leitliniengemäß wird der PSA-Test ab dem Alter von 45 Jahren empfohlen, vorausgesetzt, der Patient hat eine verbliebene Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren. Ein besonders hohes Krebsrisiko tragen Patienten, deren Vater oder Bruder erkrankt ist. Ihnen kann der Test schon ab dem 40. Geburtstag angeboten werden, eventuell in Verbindung mit einer genetischen Untersuchung. Häufig erst spät erkannt werden Malignome beim benignen Prostatasyndrom unter Therapie mit 5-Alpha-Reduktasehemmern. Denn diese Arzneistoffe supprimieren das PSA um 50 %.

Niedrigrisiko-Tumoren aktiv überwachen

Die Testfrequenz richtet sich nach der individuellen Gefährdung des Patienten. Laut Leitlinie sollen bei PSA-Werten unterhalb 1 ng/ml die Kontrollen im Abstand von vier Jahren erfolgen, zwischen 1 und 2 ng/ml im zweijährlichen sowie oberhalb 2 ng/ml im jährlichen Turnus. Um Übertherapie zu vermeiden, soll Patienten mit Niedrigrisiko-Tumoren eine aktive Überwachung angeboten werden. So lassen sich gravierende Folgen einer invasiven Therapie mit Operation oder Strahlentherapie in vielen Fällen vermeiden.

* prostataspezifisches Antigen

Quellen:
1. Al-Monajjed R et al. Urologe 2021; 60: 592-601; DOI: 10.1007/s00120-021-01505-9
2. Westhoff N et al. A.a.O.; 602-609; DOI: 10.1007/s00120-021-01519-3