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Multiple Sklerose Stille Progression dingfest machen

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Der häufigste Grund für eine relevante Verschlechterung bei Multipler Sklerose ist die stille Progression. Der häufigste Grund für eine relevante Verschlechterung bei Multipler Sklerose ist die stille Progression. © William – stock.adobe.com
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MS-Symptome können sich unabhängig von Krankheitsschüben verschlechtern. Bislang ist aber unklar, wie bedeutsam diese Art der Progression ist und wie man sie definiert.

Schon länger weiß man, dass es bei Multipler Sklerose (MS) auch unabhängig von Krankheitsschüben zu progressiven Beeinträchtigungen kommt. Dieses Phänomen wird als PIRA (progression independent of relapse activity) bzw. als stille oder schubunabhängige Progression bezeichnet. Forscher um Dr. ­Jannis ­Müller vom Universitätsspital Basel versuchten in einer Metastudie, mehr über das Phänomen herauszufinden.

Das Team wertete 48 Publikatio­nen aus. Ihre Ergebnsise sprechen dafür, dass es jährlich bei rund 5 % aller Patienten mit schubförmig-remittierender MS zu PIRA kommt und diese für mindestens 50 % der fortschreitenden Beeinträchtigung verantwortlich ist. Mit höherem Alter des Patienten und mit längerer Krankheitsdauer steigt der PIRA-Anteil an der Behinderungsprogression. Auch die Behandlungsart spielt eine Rolle: Hochwirksame Therapien reduzieren zwar die Anzahl von Schüben. In der Folge aber hat PIRA bei den so behandelten Patienten ebenfalls einen größeren Anteil an der Progression.

Insgesamt, so stellten die Forscher fest, ist PIRA der häufigste Grund für eine relevante Verschlechterung – und zwar bei allen klassischen Phänotypen der MS. Allerdings gibt es bislang keine einheitlichen Kriterien für die stille Progression. Die Autoren schlagen daher eine Definition vor, die sowohl bei RRMS als auch bei progressiven Verlaufsformen zur Anwendung kommen kann.

Der Ausgangswert für die jeweils aktuelle Beurteilung sollte dabei mitwandern („Roving Baseline“), und zwar immer dann, wenn ein veränderter EDSS*-Wert bei zwei Kontrollen bestätigt wird. Um als PIRA zu gelten, muss eine bestimmte Verschlechterung gegenüber diesem Ausgangswert ≥ 30 d vor oder ≥ 90 d nach dem Beginn eines Schubs beob­achtet werden. Welches Ausmaß an Verschlechterung als relevant gilt, richtet sich nach dem Basiswert:

  • Baseline 0 Punkte: ≥ 1,5 Punkte
  • Baseline 1–5 Punkte: ≥ 1 Punkt
  • Baseline ≥ 5,5 Punkte: ≥ 0,5 Punkte

Bestätigungsmessung nach frühestens drei Monaten

Als bestätigt gilt die PIRA, wenn der neue Wert nach frühestens drei Monaten erneut festgestellt wird. Da auch die stille Progression Schwankungen unterliegen kann, handelt es sich nur dann um eine dauerhafte Verschlechterung, wenn sich ≥ 12 Monate später keine relevante Verbesserung eingestellt hat.

* Expanded Disability Status Scale

Quelle: Müller J et al. JAMA Neurol 2023; DOI: 10.1001/jamaneurol.2023.3331