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Omega-3-Fettsäuren-Hype Studienlage zwingt zum Umdenken

Autor: Dr. Franziska Hainer

Randomisierte Doppelblindstudien konnten keine positiven Effekte durch die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren finden. Randomisierte Doppelblindstudien konnten keine positiven Effekte durch die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren finden. © anaumenko – stock.adobe.com
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Wirkungslos und umweltschädlich – Omega-3-Fettsäuren aus dem Meer weisen eine schlechte Bilanz auf. Die Studienlage zeigt nicht nur, dass es keine Evidenz für einen gesundheitlichen Nutzen der Supplemente gibt. Sie schaden sogar – wahrscheinlich dem Menschen und sicher dem Meer. 

Ausgangspunkt waren Beob­achtungsstudien, die zur Omega-3-Fettsäure-Hypothese führten: Diese nahm an, dass eine Ernährung, reich an marinen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, vor koronarer Herzkrankheit schützt. Doch die Hypothese ist längst widerlegt.

Eine ausgewogene Ernährung deckt den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren, denn der menschliche Körper kann diese aus pflanzlicher Alpha-Linolensäure selbst herstellen. Ein Esslöffel Rapsöl pro Tag reicht aus, schreibt Prof. Dr. Franz Eberli von der Klinik für Kardiologie am Stadtspital Triemli in Zürich. Er warnt vor den wirtschaftlichen Interessen der Akteure rund um das Thema Fischölkapseln. Der boomende Industriezweig fördert Publikationen und Marketingkampagnen, die darauf abzielen, bei Verbrauchern Assoziationen mit einem gesunden Lebensstil zu wecken. Das spiegelt sich in der Fülle von Studien wider.

Zwar zeigen Studien, die vor 2002 publiziert wurden, tendenziell positive Effekte von marinen Omega-3-Fettsäuren-Supplementen. Doch verblindete Studien bestätigten dies meist nicht, sodass insgesamt keine signifikante positive Wirkung nachgewiesen wurde.

Ein Cochrane-Review im Jahr 2018 ergab keine Evidenz für positive Effekte einer vermehrten Aufnahme von Omega-3-Fettsäure in Form von Fischmahlzeiten. Für alle weiteren untersuchten Effekte der Omega-3-Fettsäuren fand sich eine Wirksamkeit, die, wie Prof. Dr. Eberli schreibt „gegen null tendiert“. Zwei große Studien zielten auf einen möglichen Nutzen in der Primärprävention für Diabetiker (ASCEND-Studie) und Patienten mit kardiovaskulärem Risikoprofil ab. Auch hier zeigten Omega-3-Fettsäuren-Supplemente keinen protektiven Effekt.

DART und GISSI-P – von Top zu Flop

Die bahnbrechenden Ergebnisse der Omega-3-Fettsäuren-Studien DART und GISSI-P ließen sich in den Folgestudien nicht verifizieren. In der DART-Studie aßen die Teilnehmenden 200–400 g öligen Fisch pro Woche (entsprechend 500–800 mg Omega-3-Fettsäure pro Tag) und es wurde eine Mortalitätsreduktion von 29 % im Vergleich zur Kontrollgruppe erreicht. Jedoch zeigte sich in der DARTII-Studie eine im Gegensatz zu den Vorstudien um 27 % erhöhte Mortalität. In der GISSI-P-Studie nahmen die Teilnehmenden Omega-3-Supplemente (EPA 850 mg/DHA 882 mg) zu sich. Im Vergleich zur Kontrollgruppe reduzierte sich der kombinierte primäre Endpunkt um 15 %, der sekundäre Endpunkt (plötzlicher Herztod) um 45 %. In der GISSI-HF-Studie führte die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren dagegen zu keinem signifikanten Rückgang des plötzlichen Herztodes.

Befürworter der Omega-3-Supplemente postulierten, dass möglicherweise eine zu geringe Dosis (1 g/Tag) für die fehlende Wirkung verantwortlich sei. Neuere Studien wurden daher mit einer Dosis von 1,8–4 g/Tag Omega-3-Fettsäuren-Supplementen versus Placebo durchgeführt. Doch auch in diesen Untersuchungen enttäuschten die Ergebnisse. Einzig in der REDUCE-IT Studie war ein positiver Effekt erkennbar. Darin erhielten Patienten mit erhöhten Triglyceriden neben Statinen und Ezetimib zusätzlich 4 g Icasopent-Ethylester. Im Vergleich zur Placebogruppe zeigte sich unter Verum ein signifikanter Vorteil bezüglich kardiovaskulärer und Gesamtmortalität. 

Diesen positiven Effekt hält Prof. Eberli allerdings für fraglich. Denn das als Placebo verabreichte Mineralöl führte in REDUCE-IT zu einem Anstieg von LDL-Cholesterin, CRP und vielen proatherosklerotischen inflammatorischen Markern. Passend dazu erbrachte die EVAPORATE-Studie, dass Mineralöl innerhalb von 18 Monaten eine Verdoppelung der koronaren Plaques verursachte, während Icasopent-Ethylester kaum Wirkung auf die Arterienwände hatte. „Es ist daher möglich, dass das Mineralöl-Placebo schädlich ist und die Omega-3-Fettsäure Icasopent-Ethylester keinen protektiven Effekt hat“, resümiert Prof. Eberli.

Die amerikanische „Food and Drug Administration“ (FDA) bewertet 3 g Omega-3-Fettsäuren als generell sicher. Es gibt jedoch große Qualitätsunterschiede bei der Zusammensetzung der Kapseln, auch Spuren von Dioxin und polychlorierte Biphenyle wurden schon nachgewiesen. Neben Übelkeit, Magenverstimmung und fischigem Aufstoßen stehen Omega-3-Fettsäuren in höheren Dosen im Verdacht auch Blutungsneigung oder Vorhofflimmern zu verursachen.

Der ungebremste Bedarf von Omega-3-Fettsäuren führt außerdem zu einem immensen Schaden für die Fischbestände und das Ökosystem. Industriell hergestellte Algenölkapseln sind teuer und weniger verbreitet – also keine Alternative. Doch der Konsum von Omega-3-Fettsäuren-Supplementen hat sich in den letzten zehn Jahren in den USA verzehnfacht – Tendenz steigend. Um diesem Trend etwas entgegenzusetzen, spricht sich Prof. Dr. Eberli gegen weitere Studien aus und plädiert für eine Abkehr von der Omega-3-Fettsäuren-Hypothese.

Quelle: Eberli F. Swiss Med Forum 2023; 23: 1026-1013 DOI: 10.4414/smf.2023.09340