Anzeige

Subduralhämatom: Operieren oder nicht operieren?

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Beim akuten Subduralhämatom klaffen die Ansichten von Arzt und Patient über eine mögliche Operation auseinander. Beim akuten Subduralhämatom klaffen die Ansichten von Arzt und Patient über eine mögliche Operation auseinander. © iStock/knape
Anzeige

Der Zustand der 81-Jährigen mit akutem Subduralhämatom verschlechtert sich rapide. Soll man bei der hochbetagten Dame noch zum Skalpell greifen? Und würde sich die Patientin selbst überhaupt eine OP wünschen? In einer aktuellen Arbeit wurden Neurochirurgen und geria­trische Patienten mit dem Fall konfrontiert. Die Ergebnisse könnten nicht unterschiedlicher sein.

Als neurochirurgisches Dilemma bezeichnet Privatdozentin Dr. Claudia Unterhofer von der Universitätsklinik für Neurochirurgie Innsbruck den Fall, wenn ältere Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und akutem Subduralhämatom (aSDH) bewusstlos in die Klinik kommen. Kollegen sehen sich dann mit weitreichenden Fragen konfrontiert, die sie schnell beantworten müssen. Sollte man trotz des hohen Alters operieren? Welche OP käme infrage? Schließlich will man die Selbstständigkeit der Betroffenen so lang es geht bewahren – bei Hochbetagten aufgrund diverser Komorbiditäten und psychischer wie physischer Einschränkungen ohnehin problematisch.

85 % der befragten Chirurgen würden die Frau operieren

Was letztendlich die beste Option für den schwer verletzten Patienten ist, ist in der Akutsituation oft nicht leicht zu beantworten.

Mit dieser Thematik beschäftigten sich kürzlich Dr. Unterhofer und ihre Kollegen. In zwei Studien befragten sie Mitglieder der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Neurochirurgie. Zunächst legten sie ihnen den Fall einer 81-jährigen Frau vor, die unter einer Cumarintherapie mehrfach gestürzt war.

Die Dame wurde vom Notarzt in ein peripheres Krankenhaus gebracht (8:00 Uhr). Nach erfolgtem Schädel-CT (8:11 Uhr) verlegte man sie in den Schockraum der Uniklinik. Dort verschlechterte sich ihr Zustand akut und sie musste intubiert werden. Die rechte Pupille war nach der Intubation erweitert. Ein zweites Schädel-CT (9:17 Uhr) zeigte ein raumforderndes akutes Subduralhämatom über der rechten Hemisphäre mit Mittellinienverlagerung nach links und Kompression der Hirnoberfläche. Zusatzdiagnosen: Aortenklappenstenose und Herzinsuffizienz.

Akutes Subduralhämatom

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für die lebensbedrohliche Blutung. Dabei sammelt sich Blut rasch zwischen Dura mater und Cortex, ursächlich ist meist ein traumatisches Ereignis, z.B. ein Sturz. Je größer und tiefer das Hämatom, desto stärker wird die Hirnoberfläche komprimiert. Da das Gehirn dem zunehmenden Druck nicht ausweichen kann, kommt es zur Bewusstlosigkeit und unbehandelt zum Tod. Bei geriatrischen Patienten verschlechtern folgende Faktoren das klinische Outcome:
  • initialer neurologischer Zustand
  • ≥ 3 Komorbiditäten
  • Antikoagulanzien
  • Latenz zwischen Trauma und klinischer Verschlechterung

Das würden Ihre Kollegen tun

Im Anschluss beantworteten die Chirurgen elf Fragen zur Operationsindikation und zum Operationsausmaß, weitere fünf bezogen sich auf die sozialen Umstände der Patientin. Die Ergebnisse: 85 % der Kollegen würden zum Skalpell greifen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Operation waren:
  • der Mittellinienshift (84 %),
  • die kurze Latenz zwischen Trauma und Operation (81 %) sowie
  • die Hämatomtiefe (81 %).
Die Mehrzahl der Teilnehmer plädierte für eine große osteoplastische Kraniotomie und eine Hämatom-entleerung (44 %). 28 % wollten eine große Entlastungskraniotomie mit Duraerweiterungsplastik. Informationen über die sozialen Hintergründe hielten 70 % für wichtig bis sehr wichtig. Ein Drittel hätte sich im Vorfeld über die Lebensumstände der alten Dame informiert.

Das möchten ältere Patienten

In die zweite Umfrage schlossen Dr. Unterhofer und Kollegen die Antworten von 100 Hochbetagten über 75 Jahre ein. Sie baten diese, sich in die Situation der Patientin hineinzuversetzen und anschließend insgesamt 19 Fragen (acht zum Fall, elf zu persönlichen Daten) zu beantworten. Was dabei herauskam, stand in erheblichem Gegensatz zu den Aussagen der Neurochirurgen:
  • 51 % der geriatrischen Patienten würden eine OP ablehnen.
  • 68 % wollten nicht operiert werden, wenn sie danach mit körperlichen Einschränkungen leben müssten.
  • Wären postoperativ kognitive Einschränkungen zu erwarten, wollten 91 % nicht unters Messer.
Am meisten Angst hatten die Teilnehmer davor, eine Belastung für ihre Familie zu sein (29 %), ihre Selbstständigkeit einzubüßen (28 %) oder behindert zu sein (25 %). Den Tod fürchteten 3 %. Während mehr als ein Drittel über eine Gesundheitsvollmacht verfügte, besaßen nur 8 % der Befragten eine Patientenverfügung. Bei etwa jedem Zweiten wussten die Angehörigen oder Freunde Bescheid, was sich die Betroffenen im Fall der Fälle wünschen würden. Warum divergieren die Ergebnisse so stark? Aktiv zu behandeln sei aus ärztlicher Sicht immer leichter, schreiben die Autoren. Therapierückzug und palliative Begleitung werden erst seit kurzem gelehrt. Betroffene interessieren sich mehr für eigene Ängste und die Familie. Mit Behinderungen weiterleben wollen sie nicht. 

Quelle: Unterhofer C et al. J Neurol Neurochir Psychiatr 2018; 19: 53-58