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Polytherapie bei Epilepsie Synergismen nutzen, Wechselwirkungen vermeiden

Autor: Manuela Arand

Wird der Patient unter der Kombination anfallsfrei, kann man versuchen, den ursprünglichen Wirkstoff abzusetzen und mit dem neuen Präparat in Monotherapie weiterzumachen. Wird der Patient unter der Kombination anfallsfrei, kann man versuchen, den ursprünglichen Wirkstoff abzusetzen und mit dem neuen Präparat in Monotherapie weiterzumachen. © koto_feja/gettyimages
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Spricht ein Epilepsiepatient nicht auf Antikonvulsiva an, stellt sich spätestens nach dem zweiten Fehlversuch die Frage: kombinieren oder nicht – und wenn ja, wie?

Inzwischen stehen mehr als zwei Dutzend Antikonvulsiva zur Verfügung. „Keiner von uns kann genügend klinische Erfahrung sammeln, um alle Kombinationen zu kennen, die sich damit bilden lassen“, befand Prof. Dr. ­Marte ­Bjørk von der Universität Bergen. Ganz zu schweigen davon, dass es weit mehr Expertenmeinung als Evidenz zu diesem Thema gibt. Grundsätzlich sollte man sicher sein, dass wirklich eine Epilepsie vorliegt und der Patient sein Antikonvulsivum wie verordnet nimmt, bevor man die Zugabe eines zweiten Wirkstoffs in Erwägung zieht.

Gegen die Kombitherapie spricht, dass das klinische Resultat oft kaum vorhersagbar ist und jedes zusätzliche Medikament das Risiko von Wechselwirkungen und Nonadhärenz erhöht. Je mehr Antikonvulsiva ein Patient nimmt, desto eher drohen paradoxe Effekte wie eine Zunahme der Anfallsfrequenz und -schwere. Dagegen kann eine Kombination die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen und Nebenwirkungen reduzieren, indem unterschiedliche Wirkmechanismen bedient werden. Allerdings handle es sich hierbei um ein theoretisches Konzept, das bislang kaum durch Studien gestützt ist, so die norwegische Kollegin. Es gibt jedoch Daten, nach denen bis zu 35 % der Patienten, die auf eine Monotherapie nicht ansprechen, unter einer Kombination anfallsfrei werden. Bei etwa ebenso vielen geht die Anfallsfrequenz um mindestens die Hälfte zurück.

Die Hauptindikation für Zweifachkombinationen sieht Prof. Bjørk bei Epilepsiepatienten, die nach zwei bis drei Monotherapieversuchen mit unterschiedlichen Präparaten nicht anfallsfrei sind und kein operables Substrat aufweisen. Eine niedrig dosierte Kombination kann auch eine Option sein, wenn Nebenwirkungen verhindern, dass der Patient die Zieldosis erreicht.

Bei einigen Betroffenen sollte man auch schon früher an eine Zweifachkombination denken, empfiehlt die Neurologin – etwa wenn die Anfallsfrequenz sehr hoch ist, stark epileptogene Hirnschäden vorliegen oder schwer behandelbare metabolische Erkrankungen wie das seltene mitochondriale rezessive Ataxiesyndrom. Bei diesem hängen Überleben und Prognose von einer raschen Anfallsfreiheit ab. Bei anderen Patienten ist dagegen besondere Zurückhaltung geboten, beispielsweise bei Senioren oder Frauen im gebärfähigen Alter.

Ist die Entscheidung pro Duotherapie gefallen, sollte man die Dosis des ersten Antiepileptikums beibehalten und das zweite langsam bis zur Zieldosis auftitrieren. Das gilt natürlich nur, wenn keine Interaktionen zwischen den Substanzen zu befürchten sind. Wenn doch, müssen die Dosierungen entsprechend angepasst werden. Falls weiterhin Krampfanfälle auftreten gilt es, die Dosis des zweiten Antikonvulsivums weiter zu steigern oder die weniger wirkstarke Substanz durch eine andere zu ersetzen. Treten beim Aufdosieren des 2. Wirkstoffs Nebenwirkungen auf, sollte der 1. Wirkstoff reduziert und eine langsamere Titration erwogen werden. Nur wenn sich die Anfälle unter der Kombination verstärken, sollte man Wirkstoff 2 ausschleichen und ersetzen. Das Ziel ist laut Prof. Bjørk also, vor allem den zweiten Wirkstoff auf die volle Dosis zu bringen – denn über Wirkstoff 1 weiß man ja in den meis­ten Szenarien bereits, dass er nicht sonderlich effektiv ist.

Wird der Patient unter der Kombination anfallsfrei, kann man versuchen, den ursprünglichen Wirkstoff abzusetzen und mit dem neuen Präparat in Monotherapie weiterzumachen. Treten dabei jedoch erneut Krampfanfälle auf, läuft es auf eine dauerhafte Kombinationstherapie hinaus.

Mehrfachkombinationen aus drei oder sogar vier Antikonvulsiva sollte man vermeiden, da sich Wirksamkeit, Nebenwirkungsrisiko und Wirkspiegel nur schwer abschätzen lassen, so Prof. Bjørk. Einige wenige Patienten können davon zwar profitieren, aber es sollten erst alle anderen Optionen vom Tisch sein, bevor man sich für diese Art der Therapie entscheidet. Das Prozedere ist dann wie bei der Duotherapie: Basismedikation beibehalten, dazu gekommenen Wirkstoff aufdosieren, ggf. versuchen, die Basismedikation auszuschleichen.

Die Expertin empfahl, vor und nach Beginn einer antiepileptischen Polytherapie die Serumkonzentrationen zu bestimmen, vor allem wenn Wirkstoffe mit bekanntem Interaktionspotenzial oder neue, noch wenig erprobte Substanzen kombiniert werden. Man sollte sich jedoch damit Zeit lassen, bis die Titration abgeschlossen und der Steady State erreicht ist.

Kongressbericht: 8. Kongress der European Academy of Neurology