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Mammakarzinom Auf der Suche nach Tumor-DNA

DGS 2023 Autor: Mascha Pömmerl

Tumorzellen geben DNA in die Blutbahn ab und lassen sich so im Blut und teilweise in anderen Körperflüssigkeiten nachweisen. Tumorzellen geben DNA in die Blutbahn ab und lassen sich so im Blut und teilweise in anderen Körperflüssigkeiten nachweisen. © buravleva_stock – stock.adobe.com
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Tumorzellen geben DNA in die Blutbahn ab. Auch ganze zirkulierende Tumorzellen lassen sich im Blut und teilweise in anderen Körperflüssigkeiten nachweisen. Welchen Nutzen hat die Liquid Biopsy zur Fahndung nach ctDNA in der Therapie des Mammakarzinoms schon heute?

Zur Früherkennung von Krebs bei Gesunden eignet sich weder die Suche nach zirkulierenden Tumorzellen (CTC) noch nach ­ctDNA, berichteten Dr. rer. nat. ­André ­Koch, Universitätsklinikum Tübingen, und Prof. Dr. ­Brigitte ­Rack vom Universitätsklinikum Ulm.1,2 Die Sensitivität der Tests sei zu gering, also die Falsch-Negativrate zu hoch, vor allem in frühen Tumorstadien, so Prof. ­Rack. So fiel in einem Multi-Cancer-Early-Detection-Test die diagnostische Spezifität zwar sehr gut aus, aber die Sensitivität für die Identifizierung von Tumorzellen betrug insgesamt nur 51,5 %; für das Stadium I erreichte sie sogar nur 16,8 %.3 Zur Überwachung während oder nach Krebserkrankungen jedoch können sowohl CTC als auch ctDNA herangezogen werden. Letztere könnte in der neoadjuvanten Behandlung und im Zuge der Nachsorge der Therapiesteuerung dienen. 

In einer Analyse zum Stellenwert der ctNDA bei neoadjuvanter Chemotherapie (NACT) von Patient:innen mit triple-negativem Mammakarzinom (TNBC) erwies sich der Nachweis von ctDNA während der NACT als stark prädiktiv für das Vorhandensein eines Resttumors vor der Operation. Weniger sicher schien der Zusammenhang zwischen ctDNA-Negativität und dem Erreichen einer pCR, vor allem wenn nur nach TP53-Varianten gesucht wurde. Die Detektion von ctDNA am Ende der NACT war mit einem signifikant schlechteren rezidivfreien Überleben assoziiert.

In-vitro-Drug-Testing als Option

Außerdem interessant für die Zukunft: In-vitro-Drug-Testing. In einer Proof-of-Concept-Studie wurde an CTC einer Patientin mit Mammakarzinom in vitro die Wirksamkeit von Substanzen getestet und danach erfolgreich eingesetzt.
Franken A et al. Cancers (Basel) 2021; 13: 6004; doi: 10.3390/cancers13236004

Neue Substanzen 

Das I-SPY-Studienprogramm habe das Ziel, neue Substanzen früh in die Mammakarzinomtherapie zu bringen, erklärte Prof. ­Rack. Patient:innen werden in Abhängigkeit von einer vorangestellten molekularen Analyse entweder in eine Standardgruppe mit Chemotherapie randomisiert oder in verschiedene Prüfarme, die zusätzlich verschiedene neue Substanzen enthalten. Im Rahmen der ­I-SPY2-Studie wurden Betroffene mit frühem HR+/HER2- Brustkrebs oder mit TNBC unter NACT seriell auf ctDNA untersucht.5 Drei Aspekte fielen auf:

  • Die ctDNA-Raten waren vor, während und nach der NACT in der Gruppe der Erkrankten mit TNBC höher als bei HR+ Personen. 
  • Kam es unter der NACT zu einer frühen Eradikation der ctDNA, war das nur für Patient:innen mit TNBC prädiktiv für ein gutes Ansprechen auf die NACT. In beiden Tumorarten erwies sich jedoch das Vorhandensein von ctDNA als mit einem schlechteren distalen rezidivfreien Überleben assoziiert. „Die beste Prognose hatten diejenigen, bei denen nie ctDNA nachweisbar war“, ergänzte Prof. ­Rack.
  • Konnten die Autor:innen nach der NACT keine ctDNA mehr detektieren, war das mit einem verbesserten Outcome assoziiert, sogar in der Gruppe der Erkrankten mit großem Tumorrest.  

„Das heißt, wir können in der neoadjuvanten Therapie die ctDNA als Vorhersageparameter für den klinischen Verlauf verwenden, was in der Zukunft vielleicht dazu führen könnte, dass wir die Behandlung danach ausrichten können – also bei Respondern die Therapie frühzeitig deeskalieren und im Fall von denen, für die wir in der Liquid Biopsy kein Ansprechen sehen, die Strategie ändern“, kommentierte Prof. ­Rack die Arbeit.

Im Vergleich zur Neoadjuvanz seien die Optionen durch die Liquid Biopsy in der Nachsorge ungleich interessanter, meinte Prof. ­Rack, da hier ja kein Tumorgewebe zur Charakterisierung des Krebsgeschehens im Körper zur Verfügung stehe. Auch in der Nachsorge wurde die ctDNA-Analyse bereits untersucht. Eine prospektive Studie deutet auf einen möglichen Stellenwert bei der Früherkennung von Rezidiven hin: Patient:innen mit HR+ Mammakarzinom und hohem Risiko wiesen im Median ein Jahr vor dem Auftreten von Metastasen ctDNA auf.6

Auch eine Real-World-Pilot-Studie zur Vorhersage von Rezidiven mit dem RaDaR-Test verdeutlichte, dass der Nachweis von ctDNA mit der Bildung von Fernmetastasen assoziiert ist.7 In eine ähnliche Richtung weisen die auf dem ASCO 2023 präsentierten Daten der ctDNA-Analyse im Rahmen der Penelope-B-Studie. Darin hatten Forschende die Ergänzung der adjuvanten endokrinen Therapie mit Palbociclib bei Personen mit HR+ Mammakarzinom und Tumorrest nach der NACT geprüft.8 „Die Penelope-B-Studie hat gezeigt, dass der Nachweis von ctDNA nach einer neoadjuvanten Chemotherapie mit einem sehr hohen Risiko für ein Rezidiv assoziiert ist. Wahrscheinlich benötigen wir mehrere Liquid Biopsies, um tatsächlich die relevanten Patient:innen herauszufiltern. Das könnte also zukünftig eine Option zur Therapieoptimierung sein“, resümierte Prof. ­Rack.

Derzeit startet die Nachsorgestudie ­SURVIVE. 3500 Erkrankte mit Brustkrebs und mittlerem bis hohem Rezidivrisiko sollen eingeschlossen werden. 1:1 randomisiert erhalten sie entweder eine Standardnachsorge nach nationaler Leitlinie oder eine intensivierte Nachsorge plus Liquid Biopsy, erläuterte Prof. ­Rack. Auf Basis der Liquid Biopsy wird mit einem speziellen Algorithmus, der den individuellen Verlauf der Teilnehmenden widerspiegelt, nach Tumormarkern gesucht, außerdem nach ctDNA und CTC. Um den Betroffenen mit ­ctDNA oder CTCs eine entsprechend ihrem nachweislich erhöhten Risiko eine Behandlung anbieten zu können, werden der ­SURVIVE zwei Therapiestudien folgen: 

  • Die ­SURVIVE-HERoes, in der Personen mit HER2-Positivität (inkl. HER2low) im Falle eines molekularen Rezidivs in 2:1 Randomisierung T-DXd oder eine Standardtherapie erhalten 
  • Die TREAT-ctDNA-Studie mit HR+ Tumoren, in der Elacestrant oder eine Standardbehandlung gegeben werden, wenn ein molekulares Rezidiv auftritt

Mit dem Ziel einer personalisierten Behandlung wird die Liquid Biopsy beim Mammakarzinom auch zur Mutationsanalyse eingesetzt, erklärte Dr. rer. nat. ­André ­Franken vom Universitätsklinikum Düsseldorf.9 So untersuchten Wissenschaftler:innen in der ­FAKTION-Studie neben Gewebeproben auch Liquid Biopsy auf PI3K/AKT/PTEN-Alterationen.10 In der ­PADA-1-Studie überwachten Forschende die Entstehung von ESR1-Mutationen unter Aromataseinhibitortherapie mittels Liquid Biopsy.11 „Der Vorteil ist, dass die Liquid Biopsy zeitnah darstellen kann, was an Tumorgeschehen gerade passiert“, kommentierte Dr. ­Franken. 

Quellen:
1.    Koch T. 42. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag: „­­Stellenwert von Urin, Liquor und Aszites im Rahmen der Liquid Biopsy“
2.    Rack B. 42. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag: „­­­­Ct-DNA-guided therapy in der Neoadjuvanz und Nachsorge“
3.    Klein EA et al. Ann Oncol 2021; 32: 1167-77; DOI: 10.1016/j.annonc.2021.05.806
4.    Cavallone L et al. Sci Rep 2020; 10: 14704; DOI: 10.1038/s41598-020-71236-y
5.    Magbanua MJM et al. Cancer Cell 2023; 41: 1091-1102.e4; DOI: 10.1016/j.ccell.2023.04.008
6.    Lipsyc-Sharf M et al. J Clin Oncol 2022; 40: 2408-19; DOI: 10.1200/JCO.22.00908
7.    Janni W et al. SABCS 2021, Abstract P2-01-07
8.    Turner NC et al. ASCO 2023; Abstract 502
9.    Franken A. 42. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag: „­­­­­­Liquid Biopsy in der personalisierten Medizin des metastasierten Mammakarzinoms“
10.    Howell SJ et al. Lancet Oncol 2022; 23: 851-64; DOI: 10.1016/S1470-2045(22)00284-4
11.    Bidard FC et al. Lancet Oncol 2022; 23: 1367-77; DOI: 10.1016/S1470-2045(22)00555-1