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Tinnitus: Psychische Komorbiditäten von Patienten berücksichtigen

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Die Kombination aus dekompensiertem Tinnitus und Depression stellt Ärzte häufig vor Probleme. Die Kombination aus dekompensiertem Tinnitus und Depression stellt Ärzte häufig vor Probleme. © iStock/Evgeniy Anikeev
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Der eine lebt gut mit ihnen, den anderen bringen sie an die Belastungsgrenze: Ohrgeräusche. Können Betroffene ihren Tinnitus nicht kontrollieren, folgen womöglich Depressionen und Ängste.

Im Alltag stark belastet? Kaum sozial unterstützt? Mit dem Leben unzufrieden? Tinnituspatienten, die solche Fragen bejahen, leiden besonders – zumindest, wenn sie nicht adäquat kontrolliert werden können. Die Kombination aus dekompensiertem Tinnitus und Depression stellt Ärzte häufig vor Probleme, schreiben Dr. Volker Kratzsch von den Helios Kliniken Bad Grönenbach und Professor Dr. Gerhard Goebel von der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee.

Aber auch andere psychische Komorbiditäten wie Ängste oder somatoforme Störungen kommen bei chronischem, dekompensiertem Tinnitus häufiger vor (s. Kasten). Das macht es für Kollegen schwer, ihre Patienten davon zu überzeugen, die Ohrgeräusche nicht global an den Pranger zu stellen. Vielmehr sollten mögliche Auslöser wie Stress ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken.

Leiden auch Sie unter Ohrgeräuschen?

Schätzungsweise klagen 5–30 % der Allgemeinbevölkerung über Ohrgeräusche, etwa 1–5 % fühlen sich besonders stark belastet. Die Inzidenz steigt mit dem Alter, wobei Schwerhörigkeit, Lärm, Stress und Depression als mögliche Risikofaktoren gelten. Vor allem der dekompensierte Tinnitus geht mit hohen Komorbiditäten einher. In klinischen Studien klagte mehr als die Hälfte der Patienten zusätzlich über eine Major Depression. Ängste berichteten bis zu 60 %. Auch somatoforme Störungen kommen häufig vor. Erwachsene mit chronischen, aber gut kontrollierten Ohrgeräuschen wiesen meistens kein psychisches Leiden auf.

Tinnitusbelastung mittels Fragebogen bestimmen

Um die Tinnitusbelastung zu bestimmen, können sich Ärzte einer Reihe von Testverfahren bedienen. Hierzulande findet v.a. der Mini-Tinnitus-Fragebogen Verwendung. Bei verstärkter Beeinträchtigung sollten Kollegen andere organische Ursachen wie eine Hörstörung ausschließen und psychische wie körperliche Belastungsfaktoren beachten. Einen Königsweg in der Tinnitustherapie gibt es laut den Autoren nicht. Neben einem Hörgerät hat sich eine strukturierte spezifische kognitive Verhaltenstherapie als essenzieller Behandlungsbaustein erwiesen. Die Autoren plädieren für ein multimodales Vorgehen, das Entspannungstraining, Bewegungstherapie, Vermeiden von Stille und Techniken des Stressmanagements umfasst.

Quelle: Kratzsch V, Goebel G. HNO 2018; 66: 188-197