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PAVK bei Jüngeren Umdenken, wenn Jüngere über Claudicatio klagen

Autor: Dr. Melanie Söchtig

In diesem Fall kam es bei einem Patienten mit PAVK zum Verschluss einer Unterschenkelarterie. Zu erkennen ist ein bereits organisierter Thrombus im Lumen und die „alte“ Gefäßwand. In diesem Fall kam es bei einem Patienten mit PAVK zum Verschluss einer Unterschenkelarterie. Zu erkennen ist ein bereits organisierter Thrombus im Lumen und die „alte“ Gefäßwand. © wikimedia/Patho
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Haben junge Patienten Schmerzen im Bein, geht man eher von muskuloskelettalen als von vaskulären Ursachen aus. Dies kann sich als folgenschwerer Trugschluss herausstellen. Um adäquat intervenieren zu können, muss man die Differenzialdiagnosen kennen.

Mit einer geschätzten Inzidenz von 14,6/100.000 Patientenjahren kommt die Claudicatio intermittens bei Patienten unter 40 Jahren selten vor. Doch ist im Vergleich zur chronischen und besser kompensierten Form der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) bei älteren Patienten das Risiko für den Verlust der Extremität in jungen Jahren deutlich erhöht. So lag die Amputationsrate nach femoro-poplitealer Bypassanlage bei 71 % in der Altersgruppe 33 bis 40 Jahre, während sie bei den über 50-Jährigen nur 14 % betrug, berichten Dr. Luca Tamburrini­ und Prof. Dr. Christine Espinola­-Klein von der Abteilung für Angiologie am Universitätsklinikum Mainz. Nicht zuletzt deshalb stellt die PAVK bei jungen Menschen eine eigene Entität dar, die mit einem anderen Spektrum an Differenzialdiagnosen einhergeht als bei älteren.

Zu den Risikofaktoren zählen Rauchen und Diabetes

Die häufigste Ursache ist wie in allen Altersgruppen eine Atherosklerose. Speziell bei jungen Patienten kommen aber auch Kompressions­syndrome, Autoimmunerkrankungen und traumatisch bedingte Veränderungen der Gefäßanatomie infrage. Eine atherosklerotisch bedingte PAVK betrifft bei Jüngeren eher Gefäße nahe der Aorta, z.B. die Aa. iliaca communis und externa, Stenosen und Verschlüsse treten segmental auf. Zu den Risiko­faktoren zählen neben Nikotinkonsum auch Diabetes, familiäre Fettstoffwechselstörungen, Niereninsuffizienz und onkologische Erkrankungen­.

Für die Differenzialdiagnose ist eine ausführliche Anamnese mit Erhebung von potenziellen Risikofaktoren wegweisend. Charakteristisch sind reproduzierbare Schmerzen unter Belastung, meist in den Waden. Im Gegensatz zu arthrosebedingten Schmerzen lassen diese nach Abbruch der Belastung schnell nach. Bei der körperlichen Untersuchung fallen abgeschwächte oder fehlende Fußpulse auf. Weitere Hinweise liefert die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index, der ab einem Wert von unter 0,9 als pathologisch gilt, sowie bildgebende Verfahren.

Die Therapie besteht zunächst aus konservativen Maßnahmen (z.B. Rauchentwöhnung, Gehtraining) und der Behandlung mit Statinen, Antihypertensiva etc., falls entsprechend Risikofaktoren vorliegen. Zudem sind bei jungen Patienten häufig interventionelle oder operative Revaskularisationen angezeigt. Aufgrund der hohen Reinterventionsrate ist eine engmaschige gefäßmedizinische Betreuung angeraten.

Neben einer PAVK kommen in jüngeren Jahren weitere Erkrankungen als Auslöser für eine Claudicatio intermittens in Betracht. Gerade bei sportlichen und ansonsten gesunden Menschen sollte man an Kompressionssyndrome, wie z.B. das popliteale Entrapment-Syndrom, denken. Dieses resultiert aus einer Kompression der A. poplitea durch die Muskulatur oder eine Faszie. Typisch ist auch hier ein belastungsinduzierter Schmerz. Darüber hinaus leidet ein Viertel der Betroffenen an Parästhesien oder digitalen Ulzeratio­nen im Rahmen von Thromboembolien. Zur Diagnosesicherung ist eine farbkodierte Duplexsonographie geeignet, bei der sich durch passive Dorsalflexion des Fußes Veränderungen bis hin zu einem sichtbaren Verschluss der Arterie feststellen lassen (cave: beide Extremitäten untersuchen!).

Das popliteale Entrapment-Syndrom wird chirurgisch behandelt. Falls die Gefäßanatomie erhalten ist, kann die Entlastung der komprimierenden Struktur bereits ausreichen. Liegen Poplitealaneurysmen oder -verschlüsse vor, ist meist ein Gefäß­interponat angezeigt.

Gibt es Schwellungen im Bereich der Kniekehlen?

Auch eine zystische Adventitia-Degeneration kann bei ansonsten gesunden und aktiven Patienten auftreten. Sie zeichnet sich durch eine plötzlich einsetzende Claudicatio intermittens aus. Bei der körperlichen Untersuchung fallen unter Umständen eine Schwellung im Bereich der Kniekehlen sowie abgeschwächte Fußpulse bei der Beugung des Kniegelenks auf. Die Diagnose wird mittels farbkodierter Duplexsonographie oder MR-Angiographie gesichert. Während bei intaktem Lumen eine Exzision der Zysten ausreichend sein kann, muss bei einer weitreichenden Durchsetzung des Gefäßes mit Zys­ten oder einem thrombotischen Verschluss auf ein Gefäßinterponat zurückgegriffen werden.

Hals- und Nierengefäße nicht außer Acht lassen

Charakteristisch für die fibromuskuläre Dysplasie sind sequenziell im Gefäßverlauf angeordnete Aneurysmen („Beads-on-a-String“-Muster). Die Diagnose wird mittels bild­gebender Verfahren gesichert. Weil auch andere Gefäßregionen betroffen sein können, sollten zusätzlich Hals- und Nierengefäße untersucht werden. Bei Patienten mit Claudicatio intermittens gilt eine perkutane transluminale Angioplastie als Therapie der ersten Wahl.

Unter den Vaskulitiden ist die ­Takayasu-Arteriitis eine relevante Differenzialdiagnose bei jungen Menschen mit Claudicatio intermittens. Häufig sind supraaortale Äste betroffen und es zeigen sich diffuse echoarme Wandverdickungen. Eine interventionelle Behandlung ist vor allem bei Beteiligung der Nierenarterien mit Bluthochdruck, einschränkender Claudicatio, zerebral-ischämischen Ereignissen und bei Myokard­ischämie unter Mitbeteiligung der Koronar­arterien angezeigt.

Ein Morbus Winiwarter-Buerger ist gekennzeichnet durch entzündliche, zellreiche Thromben mit akra­ler Ischämie und/oder digitalen Ulzerationen. Weitere Diagnosekriterien umfassen Nikotinabusus, Alter unter 45 Jahren sowie den Ausschluss von Autoimmunerkrankungen, Thrombophilie, Diabetes und weiteren thromboembolischen Quellen.

Quelle: Tamburrini L, Espinola-Klein C. internistische Praxis 64: 373-385