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Darmkrebs Wie bei Patienten mit Crohn oder Colitis ein strukturiertes Follow-up gelingt

Autor: Nils Bröckelmann

Die endoskopische Resektion von Dysplasien sollte erfahrenen Ärzten vorbehalten bleiben. Die endoskopische Resektion von Dysplasien sollte erfahrenen Ärzten vorbehalten bleiben. © Science Photo Library/ Marazzi, Dr. P.
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Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen gehen mit einem erhöhten Risiko für kolorektale Karzinome einher. Durch regelmäßige Koloskopien, bei denen Vorläuferläsionen entdeckt und entfernt werden, kann der Krebs häufig verhindert werden. Dabei gilt es, einiges zu beachten.

Das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms ist eine gefürchtete Komplikation bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Mit dem vermehrten Gebrauch von Medikamenten, die einen Verzicht oder das Herauszögern der Kolektomie ermöglichen, steigt die Bedeutung des endoskopischen Screenings. Um Dysplasien früh zu entdecken, empfehlen Leitlinien für Patienten mit CED und lang anhaltendem inflammatorischem Befall des Kolons regelmäßige Koloskopien. In einem Review beschreiben Dr. Ibrahim Al Bakir vom Westminster Hospital in London und Kollegen, wie ein strukturiertes Management der endoskopischen Kontrolle von Patienten mit CED gelingen kann.

Jährliche Koloskopien bei hohem Risiko

Patientenspezifische Risikofaktoren entscheiden darüber, ob der Einschluss in ein strukturiertes Follow-up-Programm mit regelmäßigen Koloskopien empfohlen wird. Die Experten der European Crohn’s & Colitis Organisation (ECCO) sehen eine regelmäßige koloskopische Überwachung bei einer Entzündung von über 30 % des Kolons und einer Krankheitsdauer von acht bis zehn Jahren vor. Ebenfalls endoskopisch kontrolliert werden sollten Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis (PSC), bei denen eine CED diagnostiziert wurde. Je nach Risiko gelten separate Empfehlungen für die Intervallzeit der Koloskopie: bei niedrigem Risiko alle fünf Jahre, bei mittlerem Risiko alle zwei bis drei Jahre und bei hohem Risiko jedes Jahr. Faktoren, die eine jährliche Kontrolle bedingen, sind

  • eine intestinale Dysplasie in den letzten fünf Jahren oder eine Kolonstriktur in der Vorgeschichte,
  • eine begleitende PSC,
  • kolorektales Karzinom bei einem erstgradig Verwandten, das vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert wurde, sowie
  • eine moderate oder schwere makroskopische oder histologische Inflammation.

Für die zuverlässige Detektion von Dysplasien ist eine adäquate Darmvorbereitung zentral. Neben einer unzureichenden Reinigung des Darms können inflammatorische Veränderungen das Erkennen dysplastischer Areale erschweren. Bei therapieresistenter Inflammation empfehlen die Autoren daher, vor der Koloskopie Prednisolon 20 mg/d für zwei Wochen zu verabreichen. Die Untersucher sind angehalten, genügend Zeit (ca. 45 Minuten) für die Koloskopie einzuplanen. Zudem wird geraten, mit hochauflösenden Endoskopen sowie der (virtuellen) Chromoendoskopie zu arbeiten und Biopsate gezielt aus den Regionen zu entnehmen, die verdächtig aussehen. Dieses Vorgehen macht die zufällige Quadrantenbiopsie weitestgehend obsolet, erklären die Autoren. Sie bleibt als Verfahren erhalten für solche Abschnitte, in denen die Darmwand z.B. aufgrund von Strikturen oder entzündlicher Pseudopolyposis nicht ausreichend beurteilbar ist.

Risikofaktoren für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms bei CED

Kolitis

  • ausgedehnter entzündlicher Befall des Kolons
  • lange Krankheitsdauer
  • schwere Inflammation

Komplikationen

  • entzündliche Pseudopolyposis
  • Strikturen des Kolons
  • Dysplasien des Kolons in der Vorgeschichte

Familienanamnese

  • erstgradige Verwandte mit kolorektalem Karzinom, insbesondere bei Erstdiagnose unter 50 Jahren

Komorbiditäten

  • primär sklerosierende Cholangitis

Fallen bei der Koloskopie Dysplasien auf, empfiehlt es sich, das weitere Vorgehen zusammen mit dem Patienten zu planen. Um das individuelle Risiko für die Entwicklung einer höhergradigen Dysplasie oder eines Karzinoms zu ermitteln und an den Patienten zu kommunizieren, kann z.B. das UC-CaRE-Webtool dienen, welches gratis online verfügbar ist.

In der Regel wird die Dysplasie mittels endoskopischer Mukosaresektion oder endoskopischer Submukosadissektion entfernt. Die Eingriffe sollten erfahrenen Ärzten vorbehalten bleiben, denn dadurch erhöht sich u.a. die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Dysplasie vollständig entfernt wird. „Die erste Resektion ist die beste Resektion“, schreiben die Autoren. Nach erfolgter Resektion ist es wichtig, zwischen Low-Grade- und High-Grade-Dysplasie zu unterscheiden. Das hat Auswirkungen auf die empfohlene Zeitspanne bis zur nächsten Koloskopie:

  • Patienten mit erfolgreich entfernter Dysplasie von einer Größe unter einem Zentimeter, die im pathologischen Präparat als low grade bewertet wird, sollten sich nach einem Jahr zur erneuten Kontrolle vorstellen.
  • Liegt eine Läsion mit höherem Risiko vor (Läsion über 1 cm Größe, High-Grade-Dysplasie, nicht-polypöser Aspekt), sollte der Ort der Entfernung bereits nach drei bis sechs Monaten erneut kontrolliert werden.

Bei Anzeichen für eine schwierige Resektion, z.B. bei ausgeprägter
Fibrose, ist es ratsam, den Patienten einem er­fahreneren Endoskopiker zuzuweisen.
Wenn der Aspekt der Läsion bereits verdächtig für ein kolorektales Karzinom ist, z.B. wenn die Mukosa in der Umgebung Anzeichen einer Invasion zeigt, sollte man auf einen endoskopischen Resektionsversuch verzichten und eine Kolektomie in Betracht ziehen.

In schwierigen Fällen interdisziplinär beraten

Auch bei multifokalen Dysplasien kann eine Kolektomie erwogen werden. In solchen und anderen schwierigen Fällen empfehlen die Autoren die Diskussion des Falls in einem interdisziplinären Meeting aus erfahrenen Endoskopikern, Chirurgen und Internisten. Wird eine segmentale Kolektomie durchgeführt, ist das weiterhin erhöhte Risiko für ein kolorektales Karzinom zu bedenken.

Quelle: Al Bakir I et al. United European Gastroenterol J 2022; DOI: 10.1002/ueg2.12330