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Atemnot, Husten, Brustschmerz: Vermeintliches Lungenödem entpuppt sich als etwas ganz anderes

Autor: Friederike Klein

Im Thoraxröntgen deutete zunächst vieles auf ein Lungenödem (links). Erst die CT offenbarte eine große dichte retrosternale Masse (rechts). Im Thoraxröntgen deutete zunächst vieles auf ein Lungenödem (links). Erst die CT offenbarte eine große dichte retrosternale Masse (rechts). © Mohamud MFY et al. J Surg Case Rep 2020; DOI: 10.1093/jscr/rjaa080 (CC BY-NC 4.0)
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Das Thymuslipom ist ein seltener gutartiger Mediastinaltumor. Im fortgeschrittenen Stadium kann er Atemnot und Brustschmerzen verursachen. Auf den ersten Blick vermutet man da eher ein Lungenödem.

Bei Atemnot und unproduktivem Husten ohne Fieber liegt der Verdacht auf ein Lungenödem nahe. Doch es gibt einen gutartigen Tumor, der die gleichen Symptome hervor­rufen kann.

Eine 60-jährige Frau stellte sich in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Mogadischu vor. Sie hatte seit zwei Monaten Atemnot, unproduktiven Husten und Brustschmerz. Wie Dr. Mahamed­ Farah­ Yusuf Mohamud­ und Kollegen berichteten, gab es keine anamnestischen Hinweise auf Hämoptysen, unbeabsichtigte Gewichtsabnahme oder Substanzmissbrauch. Blutwerte und Körpertemperatur lagen im Normbereich, die Sauerstoffsättigung lag aber bei 64 % und der Blutdruck war mit 170/110 mmHg erhöht.

Die klinische Untersuchung zeigte eine Limitation der Thoraxexkursionen, der Stimmfremitus war beidseitig vermindert. Die Auskultation ergab reduzierte Atemgeräusche beidseitig, der Herzspitzenstoß war nach rechts verschoben. Im Röntgenthorax zeigte sich eine diffuse Infiltration in beiden Lungen. Die thorakale Echokardiographie er­gab eine große mediastinale Masse mit Verschiebung des Herzens nach rechts. In der thorakalen Computertomographie wurde eine bilaterale diffuse mediastinale Masse festgestellt, die Fettgewebe mit Weichteil­schlieren enthielt – wahrscheinlich Thymusgewebe.

Jeder zweite Betroffene hat keinerlei Symptome

Die Frau litt also nicht unter einer Lungenerkrankung, sondern unter einem ausgeprägten mediastinalen Thymolipom, dessen operative Entfernung ihr angeraten wurde. Leider gab die Patientin hierzu nicht ihre Einwilligung und starb eine Woche später aufgrund der Lungenkompression.

Thymolipome sind sehr seltene gutartige Tumoren des Thymus mit Anteilen von reifen Fett- und Thymuszellen. Sie treten bei beiden Geschlechtern und in jedem Alter auf. Assoziationen wurden beschrieben mit

  • chronischer lymphatischer Leukämie,
  • Myasthenia gravis,
  • aplastischer Anämie,
  • Schilddrüsenüberfunktion und
  • Hodgkin-Lymphom.

Dies war bei der hier vorgestellten Patientin – dem ersten bekannten Fall eines Thymolipoms in Somalia – aber nicht der Fall.

Etwa die Hälfte der Patienten ist symptomlos und die Diagnose ein Zufallsbefund. Die andere Hälfte zeigt Atemwegssymptome wie Kurzatmigkeit, Husten und Brustschmerz sowie Infektionen der oberen Atemwege. Die Ätiologie ist unklar.

Dem Verdacht auf ein Thymolipom sollte nachgegangen werden, wenn im CT im vorderen Mediastinum eine Raumforderung mit Fettgewebe und Weichteilanteilen, die Thymusgewebe repräsentieren könnten, festgestellt wird. Eine Biopsie ist nicht indiziert, der Tumor muss in jedem Fall chirurgisch entfernt werden, betonen die Autoren. Die Prognose ist sehr gut, Fälle von Rezidiven oder malignen Transformationen wurden bislang nicht ­beschrieben.

Quelle Text und Abb.: Mohamud MFY et al. J Surg Case Rep 2020; DOI: 10.1093/jscr/rjaa080