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Corona: Auf psychotische Symptome achten!

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Erfahrungen mit SARS und MERS lehren , dass einige Infizierte eine manifeste Psychose bzw. Symptome wie akustische und visuelle Halluzinationen entwickeln. (Agenturfoto) Erfahrungen mit SARS und MERS lehren , dass einige Infizierte eine manifeste Psychose bzw. Symptome wie akustische und visuelle Halluzinationen entwickeln. (Agenturfoto) © iStock/Tunatura
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SARS-CoV-2-Infizierte haben ein erhöhtes Risiko, eine psychotische Störung zu entwickeln. Darauf weisen aktuelle Studienergebnisse hin. Für Menschen, die ohnehin an einer Psychose leiden, wird die Coronakrise zur Zerreißprobe.

Patienten mit COVID-19 scheinen vermehrt Psychosen zu entwickeln. Umso wichtiger ist es, auch bei zuvor mental Gesunden auf verdächtige Symptome wie Stimmenhören zu achten.

Corona auch für Nicht-Infizierte psychisch riskant

Eine australische Arbeitsgruppe hat in einem sogenannten Rapid Review 14 Publikationen aufgespürt, die sich mit einem möglichen Zusammenhang zwischen viralen Pandemien und Psychosen befassen. Schon für nicht mit dem Virus Infizierte ist SARS-CoV-2 psychisch riskant, schreibt das Team um Dr. Ellie Brown vom National Centre of Excellence in Youth Mental Health in Melbourne. In einer großen psychiatrischen Ambulanz im chinesischen Xuzhou mussten während des COVID-19-Ausbruchs im Januar 25 % mehr Patienten wegen einer neu aufgetretenen Schizophrenie behandelt werden als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Für einen Zusammenhang zwischen Coronaviren und Psychosen spricht auch das Ergebnis einer anderen Studie, in der man bei Patienten mit kürzlich manifestierter Psychose häufiger Antikörper gegen die Humanen Coronaviren 2229E, HKU1, NL63 bzw. OC43 fand als bei Gesunden.

Die Erfahrungen mit SARS und MERS lehren zudem, dass bis zu 4 % der Infizierten eine manifeste Psychose bzw. Symptome wie akustische und visuelle Halluzinationen oder einen Verfolgungswahn entwickeln. Derartige Beschwerden lassen sich manchmal sogar noch Jahre nach der Infektion nachweisen, betroffen sind vor allem Personen mittleren Alters (39–50 Jahre). Aus den Publikationen ergeben sich zudem Hinweise, dass die Anwendung von Steroiden die Manifestation psychotischer Symptome begünstigen könnte.

Spezielle Schulungsprogramme sind wichtig

Akut psychotischen Patienten fällt es besonders schwer, sich an Maßnahmen zur Infektionskontrolle wie Maskentragen und soziale Isolierung zu halten. Die Betroffenen unterschätzen oft die Gefahr einer Ansteckung und neigen zu psychotischen Erklärungsmustern: Sie deuten Pandemien z.B. als göttliche Strafe oder Hinweis auf den Weltuntergang. Auch verstärkte Ängste im Rahmen der Schizophrenie können die Adhärenz zu protektiven Maßnahmen mindern. Umso wichtiger sind spezielle Schulungsprogramme, die auch von schwer psychisch kranken Patienten angenommen werden.

Die virusbedingten psychotischen Symptome können mit niedrig dosierten Neuroleptika wie Aripiprazol gelindert werden. Die Evidenz hierfür ist allerdings noch gering. Hinweise auf eine vermehrte Suizidalität bei Coronapatienten fanden die Review-Autoren nicht.

Quelle: Brown E et al. Schizophr Res 2020; DOI: 10.1016/j.schres.2020.05.005