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Da lief die Galle über – Routinekoloskopie mit ungewöhnlichen Folgen

Autor: Friederike Klein

Die Chirurgen fanden eine entzündete Gallenblase mit Nekrosen, das Labor ESBL-produzierende E. coli. Die Chirurgen fanden eine entzündete Gallenblase mit Nekrosen, das Labor ESBL-produzierende E. coli. © Campbell C et al. J Surg Case Rep 2020; 4: rjaa091; DOI: 10.1093/jscr/rjaa091
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Der Weg zum Arzt kann lang sein – vor allem in ländlichen Regionen. So stellte sich in Australien ein älterer Herr mit Schmerzen im rechten Oberbauch erst zwei Tage nach Beginn der Beschwerden bei einem Arzt vor. Am Ende half nur noch die offene OP.

Ein 72-jähriger Mann mit Typ-2-Diabetes hatte wegen okkultem Blut im Stuhltest eine Koloskopie vornehmen lassen. Zwei Tage später stellte er sich in der Notaufnahme des Krankenhauses in Tamworth vor, weil er unter immer stärker werdenden Bauchschmerzen im rechten oberen Quadranten litt, die bereits drei Stunden nach der Koloskopie begonnen hatten. Weil der nächste Arzt zwei Stunden von seinem Zuhause entfernt war, kam er erst so spät ins Krankenhaus. Zum Aufnahmezeitpunkt war er tachykard, hatte Fieber und das Labor zeigte eine Neutrophilie und erhöhte CRP- und Bilirubin-Werte bei normalen Leberenzymen, berichtet das britische Ärzteteam um Dr. Cassidy­ Campbell.

Der rechte Oberbauch reagierte mit Abwehrspannung auf Druck. In der Computertomographie zeigte sich eine deutlich angeschwollene Gallenblase mit angelagerten Gasbläschen und streifigen Fettinfiltrationen rund um die hepatische Flexur. Der Patient war hämodynamisch stabil und es wurde zunächst eine konservative Therapie mit intravenösem Ampicillin, Metronidazol und Gentamycin, strikter Flüssigkeitsbilanzierung und regelmäßiger Kontrolle versucht.

Am dritten Tag nach Aufnahme war noch keine wesentliche Besserung eingetreten. Eine CT zeigte eine massive Gasansammlung in der Gallenblase und anliegend freie Flüssigkeit, sodass die Diagnose einer emphysematösen Cholezystitis gestellt wurde. Die laparoskopische Therapie musste offen fortgesetzt werden: Die Gallenblase war nekrotisch, gangränös und umgeben von seropurulenter Flüssigkeit. Die Kollegen entschlossen sich zu einer subtotalen Cholezystektomie. Da sich die Wunde im Anschluss infizierte, wurde sie drainiert und antibiotisch behandelt.

Bei Oberbauchschmerzen nach Spiegelung skeptisch werden

In den intraoperativ genommenen Proben fanden sich ESBL*-produzierende E. coli. Histopathologisch zeigten sich ausgeprägte mukosale Ulzeration und Ödembildung. Inflammatorische Zellen waren durch die Wand der Gallenblase gewandert mit der Folge einer Nekrose, einer Perforation am Gallenblasenhals und einer Peritonitis.

Weniger als zehn Fälle einer akuten Cholezystitis nach Koloskopie sind in der Literatur bislang berichtet worden, einen Patienten mit emphysematöser Cholezystitis gab es dabei noch nie. Dennoch empfehlen die Autoren, auch an diese Möglichkeit zu denken, wenn Patienten nach einer Darmspiegelung Oberbauchschmerzen entwickeln. Besondere Risikopatienten für eine emphysematöse Cholezystitis sind ältere männliche Diabetiker.

Der Pathomechanismus, der zu Gallenblasenentzündungen nach Koloskopie führen kann, ist unklar. Einen Einfluss könnte die Dehydratation durch die Vorbereitung auf die Spiegelung haben, was die Steinbildung fördert. Zudem fördert die mechanische Manipulation am Darm im Rahmen der Koloskopie die Verschleppung von Bakterien, was zu Sekundärinfektionen der Gallenblase mit Darmkeimen führen kann.

* Extended-Spectrum Beta-Laktamase

Quelle Text und Abb.: Campbell C et al. J Surg Case Rep 2020; 4: rjaa091; DOI: 10.1093/jscr/rjaa091