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Diabetestherapie: Entwicklung neuer Technologien wird immer rasanter

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Die Vielfalt an Insulinpumpen wird immer größer. Das macht es schwierig, das für den Pa­tienten am besten geeignete Gerät auszuwählen. Die Vielfalt an Insulinpumpen wird immer größer. Das macht es schwierig, das für den Pa­tienten am besten geeignete Gerät auszuwählen. © Science Photo Library/PHANIE/CHU MONTPELLIER
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Durch die COVID-19-Pandemie hat der Einsatz von Pumpen, Sensoren und Telekonsultation in der Insulintherapie deutlich Aufwind bekommen. Digitale Technologien machen die Therapie effektiver, die Betreuung der Patienten­ aber nicht einfacher.

Als die Insulinpumpentherapie verfügbar wurde, hat sie sich bei insulinpflichtigen erwachsenen Diabetespatienten zunächst rasch bis zum Jahr 2000 auf einen Anteil von rund 35 % hochgearbeitet. Bei Kindern hatte man Bedenken, sie könnten vielleicht mit der Pumpe herumspielen oder sich den Katheter herausreißen, und hat diese Technologie nicht in Betracht gezogen, erinnerte sich Professor Dr. Thomas­ Danne, Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover. Das hat sich inzwischen völlig verändert. Von den Kindern unter sechs Jahren werden heute über 95 % mit einer Insulinpumpe behandelt, während die Verbreitung bei insulinpflichtigen Erwachsenen nach dem ersten Anstieg relativ gleich geblieben ist.

Ähnlich sieht es für das kontinuierliche Glukose-Monitoring (CGM) aus. Seit dies 2016 abrechenbar geworden ist, ist der Gebrauch bei Kleinkindern im Lauf des nächsten Jahres schon auf 55 % gestiegen. Bei Erwachsenen wird das CGM in rund 5 % der Fälle eingesetzt. Während in den USA die Nutzung von Diabetes-Technologien deutlich mit dem sozioökonomischen Status korreliert, ist dies in Deutschland zumindest in Bezug auf die Insulinpumpen nicht zu beobachten. Ein geringes Gefälle sieht man nur bei dem CGM.

Ob jemand eine Pumpe bzw. einen Sensor bekommt, hängt in Deutschland am meisten davon ab, ob er in einer Region mit hoher Dichte an qualifizierten Versorgungszentren lebt, die umfangreiche Expertise mit diesen Technologien haben. Ein Faktor, der den Einsatz der Technologien vorangebracht hat, war die COVID-19-Pandemie. In dieser Ausnahmesituation nahm auch die Bereitschaft der Kostenträger zu, solche Systeme zu finanzieren, so der Referent. Vor allem in der Versorgung diabeteskranker Kinder habe die Pandemie dazu geführt, dass die Betreuung in kürzester Zeit auf Videokonsultationen umgestellt wurde.

CGM-Nutzung nach der ersten Welle sprunghaft gestiegen

Prof. Danne und Mitarbeiter haben bei Kindern mit Typ-1-Diabetes in verschiedenen Ländern den Einfluss der ersten Pandemiewelle auf die Diabetes-Betreuung in Abhängigkeit von der Belastung des Landes mit ­COVID-19 (Mortalität als Kriterium) untersucht. Dabei zeigte sich in Ländern mit der höchsten COVID-19-Belastung (Quartile 4) zwar kaum eine Veränderung des HbA1c-Werts, doch eine erhebliche Zunahme von Ketoazidosen.

Am Einsatz von Insulinpumpen hat sich durch die Pandemiewelle wenig verändert. Die CGM-Nutzung dagegen war nach Ende der ersten Welle sprunghaft gestiegen.

Die Entwicklung digitaler Technologien in der Diabetologie schreitet so schnell voran, dass klassische klinische Studien gar kein geeignetes Mittel mehr sind, die meist kleinen Fortschritte gegenüber älteren Systemen zu dokumentieren. Auch für die behandelnden Ärzte wird es zunehmend zur Herausforderung, die immer komplexeren und sich rasch ändernden Systeme so gut zu kennen, dass sie für jeden Patienten das am besten geeignete heraussuchen können. Auch zertifizierte Schulungsprogramme können hier kaum noch mithalten. Sie sind oft schon veraltet, wenn sie an den Start gehen.

KI bald hilfreicher als der Diabetologe?

In Zukunft werden sich möglicherweise durch künstliche Intelligenz z.B. bessere Empfehlungen zur Pumpeneinstellung ermitteln lassen, als das der Diabetologe leisten könnte. Der Einsatz der neuen Technologien macht auch die Patientenkonsultation immer aufwendiger, z.B. um elektronische Patientendaten, seitenweise CGM- oder Pumpenaufzeichnungen etc. auszuwerten.

Einzelne Zentren werden dies in Zukunft kaum mehr leisten können, so der Referent. Es brauche dringend neue Strukturen, ähnlich wie sie in den Niederlanden bereits geschaffen wurden. Dort gebe es regionale Zentren für intensive Insulintherapie, die mit lokalen Praxen per Telemedizin zusammenarbeiten und diesen die aufbereiteten digitalen Daten für ihre Patienten zur Verfügung stellen.

Ähnliche Strukturen könnte sich Prof. Danne auch für Deutschland vorstellen. Er fürchtet jedoch, dass Deutschland, welches jetzt schon zurückhängt in der Digitalisierung, immer weiter zurückfallen wird – zumindest solange der Datenschutz Regulationsprozesse so schwerfällig macht, wie es bislang der Fall war.

Quelle: 55. Kongress der DDG*

* Deutsche Diabetes Gesellschaft; Online-Veranstaltung