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Sexualisierte Gewalt im Jugendalter Gleichaltrige werden häufiger ins Vertrauen gezogen als Erwachsene

Autor: Sabine Mattes

Viele der weiblichen Opfer sexuellen Missbrauchs sind noch minderjährig. Viele der weiblichen Opfer sexuellen Missbrauchs sind noch minderjährig. © New Africa – stock.adobe.com
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Junge Menschen erlebten heute verschiedene Formen von sexualisierter Gewalt, nur wenige sprechen darüber – und wenn, dann mit Gleichaltrigen.

Das Thema sexualisierte Gewalt im Jugendalter rückt seit einigen Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Dass großer Aufklärungsbedarf besteht, haben unter anderem die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche gezeigt. Auch nicht-körperliche sexualisierte Gewaltformen, z.B. die „Viktimisierung im Internet“, gewinnen an Bedeutung. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) beschloss deswegen, den Fragenkatalog für die 9. Trendwelle der Studie „Jugendsexualität“ zu erweitern und die Sichtweise der Betroffenen einzubeziehen.

Seit 1980 befragt das BZgA regelmäßig Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren zu Sexualaufklärung, Verhütung und sexuellen Erfahrungen, seit 2015 auch 18- bis 25-Jährige. Die Erhebung erfolgt als mündlich-schriftliches Interview durch geschultes Fachpersonal.

Über die Hälfte der Teilnehmer musste nach eigenen Angaben schon eine oder mehrere Formen nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt über sich ergehen lassen. Beide Geschlechter waren gleichermaßen betroffen, die Form der Übergriffe variierte jedoch: Bei Mädchen/Frauen überwogen „sexuelle Kommentare“ und „Belästigungen im Internet“, Jungen/Männer litten eher unter „negativen Bezeichnungen mit sexuellem Bezug“.

Knapp 20 % der Teilnehmerinnen wurden bereits Opfer körperlicher sexueller Gewalt (im Vergleich zu 5 % beim männlichen Geschlecht). Zwei Drittel der Mädchen/Frauen waren beim ersten Übergriff minderjährig, 16 % sogar unter 14 Jahre alt. Der Missbrauch fand am häufigsten in Form von körperlichen Berührungen und ungewolltem Geschlechtsverkehr statt.

Die Art der Opfer-Täter-Beziehung variierte zwischen den verschiedenen Altersgruppen. Misshandlungen im Kindesalter erfolgten oft im direkten sozialen Umfeld, z.B. durch Familienmitglieder, Nachbarn oder Personen in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Jedes vierte Opfer behält das Erlebte für sich

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen waren es vorwiegend Gleichaltrige wie (Ex-)Freunde oder Mitschüler, aber auch Unbekannte. Ein Viertel der Opfer hatte noch nie über das Erlebte gesprochen. Sofern 14–25-Jährige sich offenbarten, vertrauten sie sich mit deutlicher Mehrheit Gleichaltrigen an. Dies zeige, dass Prävention und Intervention auch darin bestehen müsse, Jugendliche „auf Gespräche mit Peers über erlebte sexualisierte Gewalt vorzubereiten und sie zu befähigen, die betroffenen Peers auf dem Weg ins Hilfesystem zu begleiten“, betont Christiane Erkens vom BZgA in Köln. Solche zielgruppenspezifischen Konzepte in Abgrenzung zum Kinderschutz fehlen.

Quelle: Erkens C et al. Bundesgesundheitsbl 2021; DOI: 10.1007/s00103-021-03430-w