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HIV-Patienten bei Keimzelltumoren gleich behandeln!

Autor: Dr. Katharina Arnheim

Es wird ein unabhängiges therapeutisches Vorgehen bei Keimzelltumoren empfohlen. Es wird ein unabhängiges therapeutisches Vorgehen bei Keimzelltumoren empfohlen. © iStock/BlackJack3D
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HIV-infizierte Patienten mit Keimzelltumoren haben heute ein ähnliches progressionsfreies und Gesamtüberleben wie HIV-Negative, besagen Daten einer internationalen Kohortenstudie. Sie sollten daher identisch behandelt werden, fordert ein Kollege.

Älteren Daten zufolge weisen HIV-Infizierte ein 1,5- bis 3-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Keimzelltumoren auf. Zudem wurde ihre Prognose aufgrund des verkürzten Überlebens ungünstiger eingeschätzt als die von Keimzellkrebs-Patienten ohne HIV-Infektion. Jedoch liegen kaum Erfahrungen zur Behandlung und zum Überleben von Patienten mit HIV und Keimzelltumoren seit der Einführung der kombinierten antiretroviralen Therapie (cART) vor, erklärte Professor Dr. Marcus Hentrich von der Medizinischen Abteilung des Rotkreuzklinikums München.

Zwischen beiden Diagnosen lagen im Mittel fünf Jahre

Aus diesem Grund initiierten Forscher in sechs europäischen Ländern eine retrospektive Kohortenstudie. Sie werteten die Daten von 89 HIV-positiven Männern aus, bei denen zwischen Januar 1996 und Juli 2018 Keimzellkrebs diagnostiziert worden war. Die Patienten waren im Median 36 Jahre alt und hatten mehrheitlich Seminome (70 %).

Etwa jeder Zweite hatte bereits im UICC*-Stadium I die Diagnose erhalten. Männer in fortgeschrittenen Stadien hatten nach IGCCCG** zu 78 % eine gute Prognose. Die Immunsuppression der Teilnehmer war laut Prof. Hentrich mit einer medianen Zahl an CD4-Helferzellen von 420/µl nur gering ausgeprägt. Das Zeitintervall zwischen den beiden Diagnosen betrug im Schnitt fünf Jahre (0–29 Jahre).

14 Patienten entwickelten im Follow-up Rezidive

Grob die Hälfte der Männer mit einem Keimzelltumor im Stadium I wurde aktiv nachbeobachtet; 18 % erhielten eine adjuvante Chemotherapie, 34 % der Seminom-Patienten wurden bestrahlt. „Ein Bild, wie wir es auch bei HIV-Negativen sehen“, kommentierte der Kollege. Gleiches galt auch für Teilnehmer in fortgeschrittenen Stadien: Mit 85 % bekamen die meisten eine cisplatinbasierte Standardchemotherapie, 13 % eine Radiatio.

Insgesamt traten bei 14 Patienten Rezidive auf, davon sechs im Stadium I, die übrigen nach primär fortgeschrittener Erkrankung. In 13 der 14 Fälle wurde eine klassische Rezidiv-Chemotherapie und einmal eine Bestrahlung initiiert.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 6,5 Jahren sind 86,5 % der Erkrankten am Leben. Todesursachen bei den zwölf gestorbenen Patienten waren in fünf Fällen rezidivierte bzw. refraktäre Keimzelltumoren und in drei eine AIDS-definierende Erkrankung. Vier Männer starben aus anderen Gründen: zwei durch eine Sepsis und jeweils einer durch ein Rektumkarzinom bzw. einen Autounfall.

CD4-Zellzahl beeinflusste das Überleben keinesfalls

Das Gesamtüberleben unterschied sich bei Patienten mit guter bzw. intermediärer Prognose nicht. Zudem war es unabhängig von der Anzahl der CD4-Zellen (weniger als 200/µl vs. mindestens 200/µl). Die Fünf- und Zehn-Jahres-Raten für das keimzelltumorfreie Überleben betrugen je 95 %, die für das progressionsfreie Überleben 81 % bzw. 73 %. Nach fünf Jahren lebten noch 91 %, nach zehn Jahren 85 % der Studienteilnehmer.

HIV-infizierte Patienten mit Keimzelltumoren sollten aufgrund dieser Daten die gleiche Behandlung erhalten wie HIV-negative Erkrankte, da sich die Überlebensraten in beiden Gruppen nicht unterscheiden, resümierte Prof. Hentrich. ka

* Union for International Cancer Control
** International Germ Cell Cancer Collaborative Group

Quelle: Hentrich M et al. DGHO Jahrestagung 2020 virtuell; Abstract 477