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Hypoglykämie: Welchen Einfluss hat Sport auf Wahrnehmung und Gegenregulation?

Autor: Dr. Miriam Sonnet

Bei Typ-1-Diabetes löst Sport eine Gegenregulation aus – auch bei IAH? Bei Typ-1-Diabetes löst Sport eine Gegenregulation aus – auch bei IAH? © mipan – stock.adobe.com
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Etwa 20 % aller Menschen mit Typ-1-Diabetes bemerken Unterzuckerungen nicht rechtzeitig. Auch gegenregulatorische Mechanismen sind bei ihnen gestört. Australische Forscher untersuchten in einer Closed-Loop-Studie, welchen Effekt unterschiedlich intensive Sportprogramme darauf haben.

Diabetespatienten mit einer Hypoglykämie-Wahrnehmungs­störung (IAH, impaired awareness of hypoglycemia) erleben sechsmal häufiger schwere Unterzuckerungen, als es bei einer normalen Hypoglyk­ämie-Wahrnehmung der Fall ist. Auch die normale physiologische Gegenregulation scheint bei IAH-Patienten kaum noch zu funktionieren. Aber wie verhält es sich bei körperlicher Bewegung?

Dr. Melissa Lee von der Universität Melbourne und ihr Team untersuchten diesen Sachverhalt bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und gestörter Hypoglykämie-Wahrnehmung. Sie teilten diese in zwei Gruppen ein, in denen Sporteinheiten mit unterschiedlicher Intensität absolviert wurden – moderates Training oder hochintensives Training (HIIT). Alle Teilnehmer wurden für den Zeitraum der Studie erstmals mit einem Hybrid-Closed-Loop ausgestattet und vorab entsprechend geschult.

Laktat und Plasmaglukose steigen bei HIIT schneller

Zwölf erwachsene Patienten beendeten die Studie. Während der Trainingseinheit lagen die Glukosewerte in beiden Gruppen stets im Zielbereich. Unterschiede je nach sportlicher Anstrengung stellten die Wissenschaftler u.a. bei folgenden Parametern fest:

  • Tendenziell stieg die Plasmaglukose bei intensivem Training stärker als bei moderater Anstrengung.
  • In der HIIT-Gruppe stiegen die Laktatwerte schneller als bei moderatem Training, mit einem Peak am Ende der Sporteinheit.
  • Die Kortisolwerte stiegen beim HIIT stärker als bei moderatem Training. Den Peak gab es 15 Minuten nach dem Training.
  • Der Zuwachs der Noradrenalinwerte war unter dem intensiven Training ebenfalls stärker, mit einem maximalen Anstieg am Ende der Sporteinheit.

Hochintensives vs. moderates Training

Die Studienteilnehmer, die dem hochintensiven Intervalltraining (HIIT) zugeteilt wurden, mussten sechsmal vier Minuten mit nahezu maximaler Belastung auf einem Ergometer strampeln. Nach jedem Intervall gab es eine zweiminütige Pause. Zwischen dem 3. und 4. Intervall durften sich die Patienten zusätzliche vier Minuten lang ausruhen. Patienten, die das moderat intensive Training (MIT) absolvierten, fuhren 40 Minuten auf dem Ergometer mit einer Intensität, die bei 70 % der anaeroben Schwelle lag.

In einer Post-hoc-Analyse verglichen die Autoren anschließend die Werte der IAH-Kohorte mit den Ergebnissen aus einer früheren Studie, in denen sie Menschen mit Diabetes mit intakter Hypoglykämie-Wahrnehmung untersucht hatten. Patienten mit IAH zeigten unter dem intensiven Training eine verringerte Adrenalinantwort (150 % vs. 350 %) und unter der moderaten Aktivität eine reduzierte Dopaminantwort. Die Kortisolantwort auf das Training bleibt bei Patienten, unabhängig von einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung, jedoch erhalten, informieren die Forscher. Dies sei eine neue Erkenntnis und lasse auf eine intakte durch Sport bedingte Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse schließen. Die Studie liefere generell Hinweise auf heterogene Antworten der entsprechenden gegensteuernden Hormone bei Diabetespatienten mit IAH, die sich je nach Trainingsintensität unterscheiden, so die Autoren.

Quelle: Lee MH et al. Diabetes Care 2020; 43: 480-483; DOI: 10.2337/dc19-1433