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IgA-Mangel IgA-Mangel provoziert COPD

Autor: Stefanie Menzel

Rezidivierende akute Mittelohrentzündungen im Kindesalter können auf einen IgA-Mangel hinweisen. Rezidivierende akute Mittelohrentzündungen im Kindesalter können auf einen IgA-Mangel hinweisen. © Science Photo Library/Professor Tony Wright, Institute of Laryngology & Otology
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Jeder dritte Patient mit IgA-Mangel leidet von klein auf unter wiederkehrenden Infekten, insbesondere der Atemwege. Bleibt das Defizit unerkannt und werden die Infektionen zu selten antibiotisch behandelt, kann sich langfristig eine COPD entwickeln.

Ein 50 Jahre alter Patient stellte sich vor vielen Jahren im Asthma- und Allergiezentrum Leverkusen bei dem Kollegen Norbert Mülleneisen vor. Er klagte über Dyspnoe bei hoher Luftfeuchtigkeit und Wetterumschwüngen sowie Hus­ten mit weißlichem Auswurf. Die Frage nach anfallsartigen oder nächtlichen Beschwerden verneinte er genauso wie die nach Thoraxschmerzen und Bluthusten. Der Mann berichtete, dass er als Elek­troinstallateur hin und wieder löten musste, sonstigen Dämpfen, Stäuben oder Gasen aber nie ausgesetzt war. Als Kind litt er immer wieder unter Mittelohrentzündungen, die Adenoide hatte man bei ihm entfernt. Atemnot kannte der Patient schon seit der Kindheit. Dank diverser „Heilverfahren“ hatte sie sich aber lange Zeit nicht verschlimmert. Die allergologische Anamnese war weitgehend leer. In der Familienanamnese fand sich eine chronische Bronchitis. 

„Vom Typus her hatte ich einen beginnenden Pink Puffer vor mir“, sagte Mülleneisen. Der schlanke Mann war in reduziertem Allgemeinzustand. Die klinische Untersuchung ergab leicht erhöhte Atemfrequenz, Brummen, grobblasige Rasselgeräusche, hypersonoren Kopfschall und tief stehende Lungengrenzen. 

Die Raucheranamnese war fast leer

Die Lungenfunktionsprüfung offenbarte eine mittelschwere Obstruktion mit nur geringer Teilreversibilität. Alles sprach für eine COPD mit Emphysem. Geraucht hatte der Patient allerdings nur wenig, großzügig gerechnet kam er auf maximal drei Packungsjahre. 

Die Nasennebenhöhlen waren im Röntgenbild frei, das Standardlabor sowie ein Prick-Test unauffällig. Die CT ergab ein kranial betontes, eher zentrilobuläreas Emphysem, Zeichen eines pulmonal arteriellen Hochdrucks, beidseitige Pleurakuppenschwielen, Hiluskalk rechts. Bronchoskopisch konnten eine chronische Bronchitis bestätigt werden, säurefeste Stäbchen fanden sich nicht. Histologisch ergab sich eine deutlich aktive, unspezifische Bronchitis mit Eosinophilie.

Kollege Mülleneisen behandelte den Patienten fünf Jahre lang unter der Diagnose COPD. Eine anhaltende Besserung blieb allerdings trotz Reha aus. Die FEV1 sank auf 24–37 % ab. Den entscheidenden Hinweis auf die tatsächliche Ursache der Symptomatik erhielt Mülleneisen am Rande eines Kongresses. Jemand erwähnte, dass Patienten mit Immundefekt über rezidivierende Infektionen eine COPD entwickeln können. Daraufhin bestimmte er bei seinem Patienten die Immunglobuline. Das Gesamt-IgA lag bei < 0,22 g/l: ein IgA-Mangel

Immunglobulin A (IgA) wird von der Mukosa im Bereich des Atem-, Verdauungs- und Urogenitaltrakts und der Augen sowie von speziellen Drüsen rund um die Brustwarzen von Müttern sezerniert. Lokal schützt es vor Pathogenen. Fehlen eine oder beide Subklassen (IgA1 und IgA2), bleibt dies bei mehr als der Hälfte der Betroffenen folgenlos, da in den Schleimhäuten IgM die Aufgaben übernimmt. Etwa 30 % entwickeln rezidivierende Infektionen, vor allem Sinusitiden, Bronchitiden oder Pneumonien. Auch Auto­immunerkrankungen, Allergien und gastrointestinale Probleme sind mit einem IgA-Mangel assoziiert.

IgA in Serum und Speichel bestimmen

„IgA-Mangel ist der mit Abstand häufigste Immundefekt und wir übersehen ihn häufig“, warnte Mülleneisen. Er empfahl: „Bestimmen Sie die IgA-Konzentration im Serum und zur Sicherheit auch im Speichel. Und das möglichst mehrfach.“ Bei einem selektiven Mangel ist der Antikörper nicht nachweisbar oder stark erniedrigt (< 0,3 g/l). Weitere Immundefekte können komorbid vorhanden sein und müssen ausgeschlossen werden.

Keine Immunglobuline bei IgA-Mangel!

Intravenös gegebene Immunglobuline (IVIG) enthalten u.a. IgA. Diese provozieren bei Patienten mit IgA-Mangel eine heftige Abwehrreaktion, da der Körper IgA als fremd erachtet. Auch im Rahmen einer Bluttransfusion kann es zu allergischen Reaktionen kommen, weshalb Patienten einen Notfallausweis bei sich tragen sollten.

Eine ursächliche Behandlung des IgA-Mangels gibt es nicht. Beschwerdefreie oder -arme Patienten benötigen in der Regel keine Therapie. Häufen sich jedoch die Infekte, sollte das Antibiotikarezept nach Aussage von Mülleneisen „lockerer sitzen“. Dies bedeute aber nicht, dass jeder sofort ein Antibiotikum brauche. „Aber Sie müssen eher dran denken.“ Keinesfalls sollte man zur Therapie i.v. Immunglobuline verabreichen, da diese schwere allergische Reaktionen hervorrufen können (s. Kasten).

Zurück zum eingangs beschriebenen Patienten: Seitdem die Diagnose IgA-Mangel steht und er von Mülleneisen bei einer Infektion eher mal ein Antibiotikum verordnet bekommt, ist seine Lungenfunktion  auf niedrigem Niveau stabil. Und mit seinen mittlerweile 73 Jahren fährt er immer noch Motorrad. 

Quelle: Kongressbericht 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin