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In Zement gegossen – bei Hüftgelenkprothesen auf Altbewährtes setzen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Bei Prothesen ohne Fixierung müssen die Chirurgen häufig noch einmal ran. Bei Prothesen ohne Fixierung müssen die Chirurgen häufig noch einmal ran. © iStock/ShaniMiller
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Auf das Einzementieren der Hüftprothese zu verzichten, um die Eingriffsdauer zu verkürzen, scheint auf lange Sicht keine gute Idee zu sein. Denn ohne die feste Polymer-Verankerung werden häufiger Revisionseingriffe nötig.

Die Einführung von Hüftendoprothesen vor über 50 Jahren bedeutete einen großen Schritt nach vorne, schreiben die Orthopäden Dr. Brian R. Hallstrom und Dr. Richard E. Hughes von der University of Michigan in Ann Arbor. Das gilt etwa für die Behandlung von Schenkelhalsfrakturen, aber auch von Arthrosen. Immer wieder tauchen neue Fragen auf.

Ein umstrittenes Thema bei Hüftprothesen ist deren Fixierung. Fachgesellschaften empfehlen das Einzementieren, eine ganze Reihe von Chirurgen scheint aber von diesem Ansatz nicht überzeugt. Sie bevorzugen nicht-zementierte Prothesen und setzen darauf, dass der gesunde Knochen in das Implantat einwächst und das Konstrukt sich auf diese Weise stabilisiert.

Verzicht macht zweite OP um 77 % wahrscheinlicher

Dr. Kanu Okike von der Kaiser Permanente in Honolulu und seine Kollegen haben in einer Regis­terauswertung bei mehr als 12 000 Patienten mit Hüftfraktur die Revisionsraten der beiden Vorgehensweisen verglichen. Bei knapp der Hälfte der Betroffenen hatten die Operateure auf das Polymer zur Fixierung der Teilprothese verzichtet, bei den restlichen Kranken war sie einzementiert worden.

Über knapp vier Folgejahre fanden die Wissenschaftler wesentlich mehr Zweiteingriffe mit Implantatwechsel bei nicht-zementierten „Ersatzteilen“. Dabei berücksichtigten sie relevante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, wie demografische Daten, Allgemeinzustand, BMI, Begleiterkrankungen sowie Zeitraum der Operation. Ein Jahr nach dem ersten Eingriff lag die kumulative Inzidenz bei 3 % vs. 1,3 %, ausgenommen waren Revisionen wegen septischer Komplikationen. Daraus errechneten die Wissenschaftler für nicht-zementierte Teilprothesen ein um mehr als drei Viertel erhöhtes Revisionsrisiko (Hazard Ratio 1,77).

Ein anderer Aspekt trieb das Forscherteam um Dr. Daniel­ Pincus von der Division of Orthopedic Surgery an der University of Toronto um: Wie kommt man am besten an das Gelenk ran, wenn wegen einer Arthrose eine Total­endoprothese angesagt ist? Während in früheren Zeiten posteriore oder laterale Zugänge üblich waren, propagieren einige Chirurgen und Publikumsmedien den operativen Eingriff von anterior. Die Wissenschaftler verglichen bei insgesamt mehr als 30 000 Patienten, wie häufig schwere Komplikationen nach den jeweiligen Operationsmethoden (posterior/lateral vs. anterior) auftraten. Dazu bildeten sie knapp 3000 Patientenpaare­, die sich unter anderem im Hinblick auf Alter, Körpergewicht, Gebrechlichkeit, sozioökonomische Faktoren und Komorbiditäten ähnelten und nur in der OP-Methode unterschieden. Danach ergab sich bei anteriorem Schnitt ein doppelt so hohes Komplikationsrisiko (2 % vs. 1 %). Vor allem tiefe Wundinfektionen, Prothesenverlagerungen und Revisionen traten häufiger auf.

1. Hallstrom BR, Hughes RE. JAMA 2020; 323: 1046-1048; DOI: 10.1001/jama.2020.2274
2. Okike K et al. A.a.O.: 1077-1084; DOI: 10.1001/jama.2020.1067
3. Pincus D et al. A.a.O.: 1070-1076; DOI: 10.1001/jama.2020.0785

Welche Rolle spielt der Arzt?

Ob zementiert wird oder nicht, richtet sich wohl nach der persönlichen Vorliebe des Chirurgen. Die Sekundäranalyse von Okike et al. zeigte, dass Operateure, die generell nicht-zementierte Prothesen bevorzugten, auch in 95,3 % der Fälle ohne das Polymer arbeiteten. Beim Operationszugang schien der Chirurg bzw. dessen Erfahrung dagegen wenig Einfluss auf das ermittelte Risiko zu haben, schreiben Dr. Pincus und Kollegen. Der anteriore Ansatz wird wesentlich häufiger von erfahrenen Chirurgen in spezialisierten Zentren durchgeführt, bei denen man eigentlich von einem geringeren Risiko ausgehen würde.