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Material künstlicher Gelenke gelangt ins Blut

Autor: Maria Weiß

Laut einer Untersuchung an der Charité hat etwa jeder Zweite mit Hüft- oder Knieendoprothese zu viel Metall im Blut, meist Chrom und Kobalt. Laut einer Untersuchung an der Charité hat etwa jeder Zweite mit Hüft- oder Knieendoprothese zu viel Metall im Blut, meist Chrom und Kobalt. © frog – stock.adobe.com
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Korrosion und Abrieb gelten in der Endoprothetik schon lange als Problem. Sind künstliche Gelenke tickende Zeitbomben oder ist die Metallionen-Belastung vernachlässigbar?

Alle künstlichen Gelenkmateria­lien erzeugen bei jeder Bewegung Abrieb. Insbesondere bei Metall-Metall-Endoprothesen lässt sich des Öfteren ein sichtbarer Abrieb von Materialpartikeln erkennen. Stuft das Immunsystem diese als Fremdkörper ein, können sich Fremdkörpergranulome bilden. Aber auch ohne einen mikroskopisch sichtbaren Abrieb sind lokale Gewebereaktionen auf Nanopartikel und Metallionen wie Kobalt und Chrom möglich, erklärte Professor Dr. Christoph H. Lohmann­ von der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg.

Bekannt ist bei Metall-Metall-Prothesen z.B. die sogenannte ALVAL-Reaktion, die histomorphologisch u.a. durch diffuse und perivaskuläre Infiltration von Lymphozyten und Plasmazellen sowie ein spezifisches Zytokinprofil auffällt und letztendlich auch zu Osteolysen mit einzelnen Nekrosen führen kann. Diese lokalen Reaktionen korrelieren nicht mit dem Serummetallgehalt, wohl aber mit der Menge an Metallionen im betroffenen Gewebe.

Ionenfreisetzungen und Korrosion kommen vor allem an Konus-Steckverbindungen vor. Etwas geringer fällt das Problem bei Keramik-Endoprothesen aus, die aber ebenfalls nicht völlig biologisch inert sind. So findet man auch Keramikpartikel im periprothetischen Gewebe, und bei Keramik-Keramik-Paarungen beobachtet man gehäuft Fibrosierungen der Gelenkkapsel.

Einen Überblick über mögliche systemische Metallionen-Belas­tungen bei Endoprothesen gab Anastasia Rakow vom Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Berliner Charité. In einer Analyse von 118 Patienten der Charité mit Hüft- oder Knieendoprothese wiesen 68 eine Erhöhung der systemischen Konzentration von mindestens einem Metall auf. Bei den meisten waren Chrom und Kobalt erhöht.

Man darf nicht vergessen, dass es sich hier überwiegend um potenziell neurotoxische Ionen handelt, die mit Gedächtnisstörungen, Depression, Visusverminderung, Hypakusis und peripheren Neuropathien in Zusammenhang gebracht werden, sagte die Chirurgin. Auch Kardio- und Thyreotoxizität sind beschrieben. Am häufigsten werden neurologische, kardiale und thyreoidale Funktionsstörungen nach Kobalt/Chrom-Exposition beschrieben.

Auch wenn es viele Hinweise auf eine mögliche Toxizität gebe, sei die Datenlage insgesamt schwach und die meisten Daten beziehen sich auf Metall-Metall-Paarungen. Die klinische Relevanz der Metallbelas­tung bleibt daher weitgehend ungeklärt. Es fehlen vor allem spezifische Schwellenwerte für einen toxischen Effekt. Die Bestimmung der systemischen Metallwerte sollte daher möglichst zur Routinediagnostik bei allen Trägern von Endoprothesen werden und auch Eingang in die Endoprothesenregister finden, forderte die Referentin.

Quelle: DKOU* 2019

* Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie