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Lebensstilinterventionen Kein Alkohol, weniger Vorhofflimmern

ESC 2023 Autor: Dr. Angelika Bischoff

Nach den Ergebnissen einer Metaanalyse steigt die Häufigkeit von Vorhofflimmern pro täglich konsumiertem Standarddrink um 8 %. Nach den Ergebnissen einer Metaanalyse steigt die Häufigkeit von Vorhofflimmern pro täglich konsumiertem Standarddrink um 8 %. © yulanaom – stock.adobe.com
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Gegen Vorhofflimmern wirkt Alkoholabstinenz mindestens so gut wie antiarrhythmische Medikamente oder eine Katheterablation, sagt ein Experte. Auch den Effekt weiterer Lebensstilmaßnahmen wie Gewichtsreduktion und Sport sollte man nicht gering schätzen.

Die Evidenz dafür, dass Alkohol gut für das Herz ist, stehe auf relativ schwachen Beinen, sagte Prof. Dr. ­Peter ­Kistler, Department of Medicine, University of Melbourne. Keine randomisierten kontrollierten Studien hätten einen Nutzen bestätigt. Es gebe auch keine Grenze, unterhalb derer der Konsum gesund oder unbedenklich für die Gesundheit ist.
Speziell beim Vorhofflimmern (VHF) gilt Alkohol als der am häufigsten angegebene Trigger. Man nimmt an, dass sich das atriale Substrat bei gewohnheitsmäßigem Genuss u.a. über Inflammation, oxidativen Stress und Blutdruckanstieg verändert. Ein akuter Exzess kann dann über Mechanismen wie Sympathikusaktivierung und Elektrolytverschiebungen eine Rhythmusstörung auslösen.

Höhere Inzidenz und mehr Rezidive nach Ablation

Nach den Ergebnissen einer Metaanalyse steigt die Häufigkeit von Vorhofflimmern pro täglich konsumiertem Standarddrink (12 g Alkohol/Drink) um 8 %. Eine andere Analyse ergab, dass VHF-Patienten, die regelmäßig Alkohol trinken, größere Vorhöfe und eine reduziertere atriale Funktion haben als abstinente Betroffene. Diese Beziehung erwies sich zudem als abhängig von der Dosis. Entsprechendes gilt auch für das atriale Remodeling sowie die Rezidivhäufigkeit von VHF nach Ablation. „Man kann dem Patienten also nicht sagen, dass er nach einer Ablation ohne Probleme weiter trinken kann“, so Prof. ­Kistler.

Die Arbeitsgruppe des Kollegen aus Melbourne hat vor Kurzem eine erste randomisierte Studie durchgeführt, um den Effekt einer Abstinenz zu untersuchen. Eingeschlossen in die Alcohol-AF-Studie wurden moderate Trinker mit paroxysmalem VHF (mindestens zwei Episoden in den letzten sechs Monaten) oder persistierendem Vorhofflimmern, welches einer Kardioversion bedurfte. Der durchschnittliche Alkoholkonsum musste bei mindestens 10 Standarddrinks pro Woche liegen.

Die Rekrutierung von Patienten für die Studie erwies sich als sehr schwierig, berichtete Prof. Kistler. Meist scheiterte die Zustimmung von potenziellen Teilnehmern daran, dass diese nicht das Risiko eingehen wollten, in der Abstinenzgruppe zu landen. Die Forscher mussten deshalb Abstriche an der geplanten Teilnehmerzahl und an der Studiendauer der Studie machen. Randomisiert wurden insgesamt 140 Patienten, von denen 137 bis zum Ende des sechsmonatigen Follow-ups durchhielten. Initial hatten sie etwa 16 Standarddrinks pro Woche konsumiert. Im Abstinenzarm nahm die Zahl um 88 % auf 2 pro Woche ab. Über 60 % in dieser Gruppe mieden Alkohol komplett. Auch im Kontrollarm beobachtete man einen Rückgang des Konsums, und zwar um 20 %.

Verzichten oder maximal drei Drinks pro Woche

Die Abstinenz zeigte Wirkung: Das vorhofflimmernfreie Überleben verlängerte sich gegenüber der Kontrollgruppe signifikant um 37 %. Knapp die Hälfte der enthaltsamen Patienten litt gar nicht mehr unter VHF. Ohne Alkoholverzicht traf dies nur auf ein Viertel zu. Gegenüber anderen Prädiktoren für Flimmerrezidive wie Alter oder Krankheitsdauer erwies sich in einer multivariaten Analyse einzig die Abstinenz als signifikant.

Als Therapie von Vorhofflimmern ist sie nach Einschätzung von Prof. Kistler möglicherwiese sogar wirksamer als Antiarrhythmika und Katheterablation. Deshalb sollte man Patienten immer dazu bewegen, Alkohol zu meiden, bevor man ihnen Medikamente verordnet oder zur Ablation schreitet. Wenn eine kompletter Verzicht nicht realisierbar ist, sollte der Konsum möglichst auf drei Standarddrinks pro Woche begrenzt werden.

Aktiv, aber nicht zu aktiv

Bei der körperlichen Aktivität kommt es auf das richtige Maß an, wie Prof. Dr. Lluis Mont, Hospital Clínic, Universität Barcelona, betonte. Das Risiko für Vorhofflimmern und ventrikuläre Arrhythmien ist laut einer aktuellen Analyse von Daten der UK-Biobank-Kohorte bei körperlich aktiven Menschen geringer als bei inaktiven. Auf der anderen Seite gibt es Studien, die zeigen, dass ein exzessives körperliches Ausdauertraining über längere Zeit für VHF prädisponieren könnte.

Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs scheint darin zu liegen, dass die Kurve zwischen der körperlichen Belastung und dem Auftreten eines Vorhofflimmerns U-förmig verläuft. Ohne Belastung ist das Risiko erhöht und sinkt dann mit steigender Intensität zunächst ab. Wenn die Intensität weiter zunimmt, geht das VHF-Risiko wieder nach oben und übertrifft letztlich sogar das von nicht aktiven Menschen.

Wie Dr. ­Melissa ­Middeldorp, Cedar Sinai Medical Center, Los Angeles, ausführte, hat auch eine Gewichtsreduktion deutliche Effekte auf das VHF. Studien haben u.a. gezeigt, dass bei einer Abnahme des Body-Mass-Index (BMI) die Schwere, Häufigkeit und Dauer sowie die mit dem Flimmern assoziierte Symptomlast zurückgehen. Je mehr Gewicht Patienten verlieren, desto größer ist dieser Effekt. Um die Motivation zu fördern, sollten schriftlich konkrete Empfehlungen gegeben und zunächst kleine erreichbare Ziele angestrebt werden. Das langfristige Ziel lautet, eine Gewichtsreduktion um mehr als 10 % und einen BMI unter 27 kg/­m2 zu erreichen.

Quelle: ESC* Congress 2023

*    European Society of Cardiology