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Koks rauchen, bis die Lunge platzt

Autor: Manuela Arand

Crack wird aus Kokainsalz und Natron hergestellt und mit einer Pfeife geraucht. Crack wird aus Kokainsalz und Natron hergestellt und mit einer Pfeife geraucht. © Wikimedia und iStock/Kai_Wong
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Partydroge, harmloser als Heroin, Wachmacher, der zu jeder Gelegenheit passt – über Kokain kursieren viele Mythen. Dass schon ein einziges Mal Koks rauchen ausreicht, um Alveolen platzen zu lassen, weiß kaum jemand.

Kokain ist nicht gleich Kokain: Aus dem zum Schnupfen verwendeten Kokainhydrochlorid entsteht unter Zugabe von Natron Crack oder mithilfe von Lösungsmitteln wie Ammoniak Freebase. Die letzten beiden werden geraucht, sie wirken viel schneller und intensiver, aber auch viel kürzer als das weiße Schnupfpulver, was eine Erklärung für das hohe Abhängigkeitspotenzial dieser Derivate liefert.

Bei Freebase, der freien Kokainbase, kommt hinzu, dass es nicht sehr stabil ist und unmittelbar nach der Herstellung konsumiert werden muss. Es sind schon Konsumenten gestorben, weil das hochexplosive Lösungsmittel in die Luft gegangen ist, berichtete Professor Dr. Heinrike­ Wilkens von der Universität Homburg/Saar. Auch Ärzte sollten sich mit Kokain auskennen, denn der Konsum führt durchaus zu pulmonalen Symptomen und Läsionen.

Husten, Fieber und Hypoxämie

Bei Kokainrauchen kann es zu akuten Schäden im Sinne der „Crack-Lunge“ kommen: Binnen 48 Stunden entwickeln sich unspezifische Symptome wie Husten und Fieber, begleitet von Hypoxämie und radiologischen Befunden (diffuse Milchglastrübungen und Konsolidierungen). Aufgrund der speziellen „Rauchtechnik“ – tiefe Inhalation, gefolgt von einem Valsalva-Manöver, Husten und Bronchospasmus – kann der Druck in den Alveolen so stark ansteigen, dass die zarten Strukturen reißen. Dann dringt entlang der bronchovaskulären Bündel Luft ins Mediastinum ein. „Wenn ein junger Patient mit Pneumo­mediastinum zu Ihnen kommt, sollten Sie ihn fragen, ob er Crack geraucht hat“, so Prof. Wilkens.

Diese Komplikation ist vergleichsweise harmlos und heilt in aller Regel unter Sauerstoffgabe folgenlos ab. Die Autoren einer Übersichtsarbeit, für die Daten von 42 Patienten mit Crack-induziertem Pneumomediastinum ausgewertet wurden, berichten, das die Symptome im Mittel binnen 24 Stunden verschwanden. Innerhalb weniger Tage bis Wochen normalisierte sich auch die Bildgebung. Zwar kam es bei jedem fünften Patienten zum Pneumothorax, aber nur bei einem musste deshalb eine Drainage gelegt werden.

Pulmonale Hypertonie und Fibrosen sind beschrieben

Es gibt eine Fülle weiterer Fallberichte über pneumologische Krankheitsbilder, die bei chronischem Kokainabusus auftreten können, teilweise auch verursacht durch Fremdsubstanzen wie Talkum, mit denen Dealer das Kokain strecken. Immer wieder kommen Fälle von pulmonaler Hypertonie vor, denen teils kardiale Ursachen (Ischämie, Infarkt, dilatative Kardiomyo-pathie) zugrunde liegen, teils aber auch Endothelschäden im pulmonalen Kapillarbett mit nachfolgendem Flüssigkeitsaustritt.

Pulmonale Fibrosen sind beschrieben, aber auch eosinophile Entzündungen und bizarre Lungenemphyseme. Die Therapie dieser Schäden folge den gleichen Prinzipien wie bei nicht-kokaininduzierten Lungenerkrankungen.

Kokain ganz legal aus der Apotheke

Kokain wurde in den 1850er Jahren aus den Blättern des Kokastrauchs isoliert. Am Anfang stand die medizinische Anwendung im Vordergrund. Einige Ärzte, darunter Sigmund Freud, setzten es ein, um Patienten von der Morphinsucht zu heilen. Ein geschäftstüchtiger Apotheker erfand Coca-Cola, das bis 1906 Kokain enthielt und dem heute noch ein – allerdings kokainfreier – Extrakt aus Kokablättern beigemischt wird. So absurd es klingt: Kokain ist bis heute in Deutschland verkehrs- und verschreibungsfähig. Kokainlösungen bis zu 20 % können als Lokalanästhetika bei ophthalmologischen Eingriffen eingesetzt werden – natürlich nach den strengen Regeln der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung.

Quelle: 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.