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Hautkrebsscreening Krankenkassendaten liefern Evidenz

Autor: Ulrike Viegener

Früh genug erkannt ist die Gefahr von Hautkrebs zumeist erfolgreich gebannt. Früh genug erkannt ist die Gefahr von Hautkrebs zumeist erfolgreich gebannt. © iStock/LightFieldStudios
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Das deutsche Hautkrebs-Screeningprogramm für gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr gilt als relativ einzigartig. Der Nutzen blieb international umstritten. Jetzt gibt es neue Daten.

Seit 2008 ist in Deutschland ein Hautkrebs-Screeningprogramm etabliert, an dem gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre teilnehmen können. Der tatsächliche Nutzen dieses Programms wurde international oft diskutiert. Mit einer retrospektiven Studie haben Ärzte basierend auf einem Datenpool von mehr als 1,4 Millionen Versicherten der AOK PLUS Sachsen wieder für etwas mehr Evidenz gesorgt.

Dr. Thomas Datzmann vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Dresden und seine Kollegen bezogen 2.475 Patienten in ihre Auswertung ein, bei denen zwischen 2010 und 2016 zum ersten Mal ein Melanom diagnostiziert worden war. Im zweiten Schritt wurde die Kohorte aufgesplittet. Ausschlaggebend hierfür war, ob die Patienten im angesetzten Studienzeitraum mindestens einen Screeningtermin wahrgenommen haben (Screeningteilnehmer, n = 1.801) oder nicht (n = 674). Die Wissenschaftler zählten die Erstdiagnose Melanom in der Interventionsgruppe nur, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach einem Screeningtermin erfolgte.

Wie die Auswertung ergab, hatten die Screeningteilnehmer einen deutlichen Vorteil: Die Sterblichkeit lag um 38 % niedriger als in der Vergleichsgruppe. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass die Ärzte Tumoren in früheren Stadien diagnostizierten – nicht erst, wenn die Läsion auch dem Patienten auffiel. Vor dem Hintergrund, dass eine Mortalitätssenkung durch das Screeningprogramm bislang nicht überzeugend dokumentiert werden konnte, sei dies ein wichtiges Signal, heißt es in einer Pressemitteilung des NCT.2

Bei den Screening-Teilnehmern wurden zudem prognoserelevante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt:

  • Sie hatten seltener lokoregionäre Metastasen (4,2 % vs. 13,5 %).
  • Fernmetastasen traten seltener auf (4,3 % vs. 8,0 %).
  • Die Patienten benötigten seltener eine onkologische Systemtherapie (11,6 % vs. 21,8 %).

Limitierende Faktoren sind das nicht-prospektive, nicht-randomisierte Studiendesign sowie der mit Blick auf die Fragestellung relativ kurze Beobachtungszeitraum von vier Jahren. Auch lässt sich trotz Berücksichtigung von bekannten Kofaktoren eine Verfälschung durch zusätzliche Variablen nie ausschließen: „Denkbar ist beispielsweise, dass gesündere Menschen eher zum Screening gehen und dieser Faktor die Überlebenswahrscheinlichkeit positiv beeinflusst“, gibt Dr. Datzmann in der Pressemitteilung zu bedenken.

Das Problem der Überdiagnostik ist mit der neuen Studie natürlich nicht aus der Welt. Einer der Hauptkritikpunkte des Screenings lautet weiterhin, dass auch In-situ-Melanome sowie wenig aggressive Subtypen mit guter Prognose und geringer Sterblichkeit erfasst und einer Therapie zugeführt werden. Dass mehr Überdiagnosen in der Screeninggruppe auch zu dem niedrigeren Mortalitätsrisiko beigetragen haben könnten, schließen die Dresdner ebenfalls nicht aus. An dem Ergebnis selbst gebe es aber nichts zu rütteln.

Quellen:
1. Datzmann T et al. Br J Dermatol 2021; DOI: 10.1111/bjd.20658
2. Pressemitteilung NCT/UCC Dresen

Durch das Screening treten deutlich weniger Melanom-Meta­stasen (Pfeil) auf und es werden seltener onkolo­gische Systemtherapien benötigt. Durch das Screening treten deutlich weniger Melanom-Meta­stasen (Pfeil) auf und es werden seltener onkolo­gische Systemtherapien benötigt. © NCI visuals online/Dr. Peter Choyke