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Hautkrebsscreening: Künstliche Intelligenz könnte Patienten für Dermatoskopie vorselektieren

Autor: Dr. Susanne Gallus

Die Sensitivität der Künstlichen Intelligenz liegt für die Einstufung bei 77 %, die Spezifität bei 91 %. Die Sensitivität der Künstlichen Intelligenz liegt für die Einstufung bei 77 %, die Spezifität bei 91 %. © iStock/DKosig
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Kein Arzt-Ersatz soll es sein, sondern ein Instrument zum „Vorsortieren“, damit dem Dermatologen mehr Zeit für die Patienten bleibt: Das Einsatzgebiet eines neuen Algorithmus klingt verlockend. Allerdings steckt das selbstlernende Hautkrebsscreening noch in den Kinderschuhen.

Wie viele Nävi haben Sie schon fotografiert und untersucht, weil der Patient fand, dass ein „Leberfleck irgendwie bedenklich aussieht“? Und wie viele Patienten kamen zu spät in Behandlung, weil sie den Gedanken an ein Melanom lieber ganz schnell beiseiteschoben, statt rechtzeitig einen Termin zu vereinbaren? In der Dermatologie können selbstlernende Screening-Algorithmen durchaus von Vorteil sein, schreibt Dr. Philipp­ Tschandl aus Wien. Vor allem wenn sie nicht beim Facharzt zum Einsatz kommen, sondern beim Hausarzt oder bei Laien.

KI wird mit 1,1 Millionen Bildausschnitten trainiert

Wissenschaftler um Dr. Seung S. Han von der dermatologischen Klinik in Seoul haben einen Algorithmus entwickelt, der Hautkrebs identifizieren kann. Das besondere an dem System, das auf einem künstlichen neuronalen Netzwerk basiert: Ein herkömmliches Foto z.B. vom Gesicht soll für das Screening ausreichen.

Nachdem die Künstliche Intelligenz anhand von 180.000 klinischen Fotos und mehr als 1,1 Millionen Bildausschnitten „gelernt“ hatte, Tumoren zu erkennen, wurde das System mit 2844 Porträtaufnahmen von 673 Personen validiert. Dieser Bildsatz ent­hielt Fotografien von Tumorpatienten (185 mit malignen und 305 mit benignen Neoplasien) und 183 Hautgesunden. Die Sensitivität des Systems lag bei 77 %, die Spezifität bei 91 %.

Es sieht nur, was es kennt

Bei trainierten Algorithmen muss man immer die Datengrundlage berücksichtigen, auf der die Ergebnisse des Systems basieren. In diesem Fall wurde die KI mit Aufnahmen aus koreanischen Krankenhäusern trainiert. Da bei Asiaten maligne Melanome nur selten vorkommen, waren diese im Lern- und Validierungsprozess unterrepräsentiert. Auch seltene Krebs­entitäten wie etwa das Merkelzellkarzinom blieben in der Studie unberücksichtigt.

Auch in einem zweiten Test konnte der Algorithmus überzeugen, indem er akkuratere Ergebnisse ablieferte als Nicht-Dermatologen oder Laien. Mit den 47 Dermatologen, die an dieser Validierung teilnahmen, lag die Software gleichauf. Die KI könnte also genutzt werden, um der Untersuchung durch den Dermatologen ein zusätzliches Screening voranzustellen oder um den Hautarzt bei der Diagnosestellung zu unterstützen, so die Autoren. Auch Dr. Tschandl sieht in der Aussicht, dass er vielleicht zukünftig auf das Fotografieren jedes einzelnen Nävus verzichten kann, einen klaren Vorteil.

Restrisiko für falsch-positive Befunde bleibt

Dem flächendeckenden Einsatz einer autonom arbeitenden KI steht er allerdings trotz der guten Studienergebnisse skeptisch gegenüber, von zukünftigen Fragestellungen bezüglich Haftung und Selbstbestimmungsrecht des Patienten ganz zu schweigen. Auch die Entwickler selbst betonen das Risiko für falsch-positive Befunde. Dieses ist zum Großteil der Tatsache geschuldet, dass in den Krankenhausdatenbanken primär maligne oder prämaligne Tumoren dokumentiert sind. Deshalb seien gutartige Neoplasien und andere benigne Läsionen in der „Lernphase“ ihrer Studie unterrepräsentiert gewesen. Solche Strukturen würde das System derzeit im Zweifelsfall als bösartig einstufen.

Quellen:
1. Tschandl P. JAMA Dermatol 2019; DOI: 10.1001/jamadermatol.2019.3360
2. Han SS et al. JAMA Dermatol 2019; DOI: 10.1001/jamadermatol.2019.3807