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Kulturclash im Sprechzimmer: Missverständnisse im Gespräch mit fremdsprachigen Patienten vermeiden

Autor: Maria Fett

Piktogramme und Abbildung können helfen, Sachverhalte zu erklären. Piktogramme und Abbildung können helfen, Sachverhalte zu erklären. © Fotolia/Zinkevych
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Umgangsformen, die hierzulande selbstverständlich sind, können dazu führen, dass beim Gespräch mit Patienten aus einem anderen Kulturkreis nichts ­he­rumkommt. Um herauszufinden, was der Person fehlt, sollte man daher einige Regeln beachten.

Unzureichende Sprachkenntnisse machen den Patientenkontakt in aller Regel kompliziert. Nicht nur, dass der Mangel an Verständigung zu Missverständnissen führen und wichtige Informationen nur über Umwege aus den Patienten herauszubekommen sind. Auch der Tritt ins sprichwörtliche Fettnäpfchen ist vorprogrammiert, wenn die fremde Kultur ganz und gar neu ist. Intuitiv versucht man, sich zunächst einmal mit Händen und Füßen zu verständigen. Gar keine gute Idee, sagte Mariya Lorke, Ethnologin und Trainerin für interkulturelle Kompetenzen aus Köln. Sie rät von dem Gefuchtel und Grimassieren ab, da die uns wohlvertraute Mimik und Gestik für Menschen anderer Kulturkreise mitunter etwas vollkommen anderes bedeutet.

Kommunikation mit Händen und Füßen? Gar keine gute Idee

Was auf Ärzte zukommen kann, veranschaulichte die Ethnologin an einem Eisbergmodell. An der Oberfläche befindet sich – natürlich – alles Sicht- und Hörbare. Im medizinischen Kontext sind das kulturelle Gesundheitspraktiken, Selbstverständlichkeiten und Umgangsformen. Hierzulande gilt beispielsweise ein Handschlag zur Begrüßung und das Siezen fremder Patienten als höflich. Damit mag man aber Personen aus anderen Kulturkreisen irritieren, die das Du beim ersten Kontakt für selbstverständlich halten. Oder das Neigen des Oberkörpers zum Gruß, wie in Japan.

Darauf sollte man als Arzt gefasst sein, meinte Mariya Lorke. Sonst stößt man ausländische Patienten unnötig vor den Kopf, schlimmstenfalls ohne es zu merken. Mögliche Folge: Sie fassen nur zögernd Vertrauen und verschweigen wichtige Informationen, die vielleicht über Diagnose und Therapie entscheiden.

Familienmitglieder übersetzen aus Scham evtl. etwas anderes

Weiterhin muss man stets im Hinterkopf behalten, dass etwa Sprachbilder zwischen den Kulturen variieren. Erzählt ein Afrikaner beispielsweise etwas von „bösem Blut“, denken hiesige Ärzte unter Umständen an Leukämie. In Wahrheit meint der Mann aber Probleme in der Familie, übersetzte die Ethnologin. Um solche Missverständnisse zu vermeiden und um Sprachbarrieren allgemein zu umgehen, bringen fremdsprachige Patienten oft Bekannte oder Fami­lienmitglieder als informelle Dolmetscher mit in die Praxis.

Mariya Lorke erklärte, was das Problem mit diesen inoffiziellen Übersetzern sein kann: Alles Gesagte geht erst einmal durch einen Doppelfilter, bevor es beim Patienten ankommt. Die Dolmetscher nehmen situations- und personengebunden verschiedene Rollen ein, übersetzen etwa aus Scham, aufgrund der familiären Rollenverteilung oder des Bedürfnisses, den Betroffenen schützen zu wollen, nur Teile des Gesagten oder etwas ganz anderes. In Bulgarien, dem Herkunftsland der Referentin, sei es beispielsweise üblich, dass alle Personen im Umfeld eines Kranken über dessen Leiden Bescheid wissen – nur er selbst nicht. Wenn man nur fest an die eigene Gesundheit glaubt, dann wird sie auch zurückkehren, ist man dort überzeugt.

Präsenz Fremder erschwert, Persönliches preiszugeben

Nun kann man sich nicht mit jeder Kultur so detailliert beschäftigen, dass sich jedwede Reaktion korrekt einschätzen ließe. Helfen zumindest professionelle Dolmetscher, die Sprachbarrieren zu überwinden? Nicht immer: Diese seien zwar bei der Übersetzung hilfreich oder auch dabei, kulturelle Missverständnisse zu umschiffen. „Man muss sich aber der möglichen Konsequenzen bewusst sein“, sagte Mariya Lorke: Jeder Fremde wird die Hemmschwelle erhöhen, persönliche Informationen preiszugeben.

Beispiele wie diese zeigen, dass nicht nur beim Eisberg der weitaus größere Teil unterhalb der Wasser­oberfläche liegt. Rollenerwartungen, Vorstellungen über Heilung, Vorurteile und kulturspezifische Werte beeinflussen maßgebend, was im medizinischen Kontext gesagt und getan werden muss.

Einige praktische Tipps, die im Umgang mit fremdsprachigen Patienten helfen können, lieferte Dana Ritzmann, Journalistin und ebenfalls Trainerin für interkulturelle Kompetenzen in Dresden. Um Sprachhürden zu überwinden, eignet sich ihrer Ansicht nach ein Mix verschiedener Methoden. Zum Beispiel können Ärzte auf die Ringordner und Folder etwa von tip doc zurückgreifen.

Darin werden medizinische Sachverhalte an Piktogrammen mit mehrsprachigen Untertiteln illustriert. Video- und Telefon-Dolmetscherdienste, z.B. Triaphon in Berlin, helfen weiter, wenn sich kein Sprachkundiger unter den Kollegen und Mitarbeitern findet. „Manchmal reicht auch eine Übersetzungsapp“, sagte Dana Ritzmann.

Quelle: 54. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg