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Frakturverdacht bei Lumbalgie Labordiagnostik und Röntgenaufnahme veranlassen

Autor: Dr. Andrea Wülker

Es gibt viele Gründe aus denen der Rücken schmerzen kann. Es gibt viele Gründe aus denen der Rücken schmerzen kann. © mintra – stock.adobe.com
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Bei Schmerzen im unteren Rücken findet sich in der überwiegenden Zahl der Fälle keine organische Ursache. Bei den übrigen Patienten gilt es, den spezifischen Auslöser für den Rückenschmerz zielsicher zu erkennen und die Betroffenen schnell einer effektiven Behandlung zuzuführen.

Spezifisch oder nicht-spezifisch? Diese Frage steht im Raum, wenn Patienten über Kreuzschmerzen klagen. Spezifische Rückenschmerzen haben eine feststellbare Ursache, während sich beim nicht-spezifischen lumbalen Schmerz auch nach gründlichem Suchen kein Grund für die Beschwerden finden lässt.

Die klinische Untersuchung beginnt, sobald der Patient das Sprechzimmer betritt, schreiben Dr. ­Dieter ­Burchert, Mainz, und Dr. ­Christine ­Schwill, Bad ­Schwartau: Wie ist das Gangbild? Wie setzt sich der Betroffene hin? Macht es ihm Mühe, sich für die Untersuchung auszuziehen? Dann geht es weiter: Bestehen Auffälligkeiten an der Wirbelsäule, etwa eine Skoliose? Wie ist die Beweglichkeit, was löst Schmerzen aus, wie ist es um die Muskelkraft bestellt?

Nach der orthopädischen folgen die internistische und eine orientierende neurologische Untersuchung. In der ausführlichen Anamnese und umfassenden körperlichen Untersuchung sollte der Hausarzt auf Warnzeichen achten, die rasches Handeln erfordern (siehe Tabelle). Die beiden Autoren nennen folgende Krankheitsbilder, die in der Praxis relativ oft zu beobachten sind:

  • Radikulopathien/Neuropathien
  • Frakturen/Osteoporose
  • Tumoren/Metastasen
  • Infektionen

Eine weitere häufige Ursache für spezifische Kreuzschmerzen ist die axiale Spondyloarthritis.

Red Flags und spezifische Ursachen für lumbalen Kreuzschmerz

Verdacht auf

Anamnestischer Hinweis

Radikulopathie

  • dermatombezogener Schmerz

  • akuter Harnverhalt, Sphinkterschwäche

  • Schwäche oder Lähmung im „Kennmuskel“, Kauda-Konus-Syndrom

Frakturen

  • lokalisierter Schmerz oder Klopfschmerz der Wirbelsäule

  • Trauma, auch Bagatelltrauma

  • chronische Steroidtherapie

Infektionen

  • Hinweise auf B-Symptomatik

  • starker nächtlicher Schmerz

  • Z.n. Infiltrationsbehandlung

  • intravenöser Drogenabusus

  • immunsuppressive Therapie

maligne Grund- oder Begleiterkrankungen

  • Tumoranamnese, B-Symptomatik, starker nächtlicher Schmerz

  • Zunahme der Schmerzen in Rückenlage

Bei Mastdarmstörung gleich in die Klinik

Lumbale Radikulopathien sind oft durch Bandscheibenvorfälle ausgelöst. Der Kreuzschmerz kann isoliert auftreten, durch Kompression der Nervenwurzel kommt es jedoch regelmäßig auch zu Schmerzen im Bein. Wichtig ist, neurologische Auffälligkeiten im Blick zu haben. Bei den meisten Bandscheibenvorfällen lassen die Schmerzen spätestens nach sechs Wochen nach, was zunächst ein konservatives Vorgehen rechtfertigt, so die Ärzte. Liegt jedoch eine schwere Radikulopathie mit Blasen- und Mastdarmstörung vor, muss der Patient umgehend stationär versorgt werden.

Wirbelkörperfrakturen sind mit 1–4 % eine recht häufige Ursache für Schmerzen im unteren Rücken. Pathologischen Brüchen liegt oft eine Osteoporose zugrunde. Bei Frakturverdacht sollte noch am gleichen Tag eine Labordiagnostik erfolgen und eine konventionelle Röntgenaufnahme veranlasst werden. Je nach Röntgenbefund kann ein CT oder MRT erforderlich sein. Bei Frakturen muss der Patient einem Wirbelsäulenchirurgen vorgestellt werden.

Malignome wie das Mamma- und das Prostatakarzinom metastasieren häufig ins Skelett. Wirbelkörpermetastasen führen zu Schmerzen, Instabilität und zu irreversibler Schädigung des Rückenmarks. Die Autoren betonen, dass bei Rückenschmerzen, die länger als sechs Wochen bestehen, Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule angefertigt werden sollten, um tumoröse Raumforderungen auszuschließen oder zu bestätigen, eventuell gefolgt von weiterer Bildgebung wie CT, MRT oder Szintigraphie.

Wenn die Kreuzschmerzen auch in Ruhe und nachts unvermindert anhalten, sollte man an eine Spondylodiszitis denken. Besteht Fieber, wurde bei dem Patienten kürzlich eine Infiltrationstherapie der Wirbelsäule oder eine immunsuppressive Behandlung durchgeführt? Je nach Herkunft des Kranken ist zudem an die Möglichkeit einer tuberkulösen Spondylitis zu denken. 

Instabile Wirbelkörper sind eine OP-Indikation

Die Autoren raten zur Bestimmung von Leukozytenzahl, BSG und CRP. Die Prognose bei tuberkulöser Spondylitis ist gut, wenn rasch antibiotisch behandelt wird. Bei entsprechendem Verdacht sollte der Patient daher zügig in die Klinik kommen. Auch in diesen Fällen gilt: Die Instabilität des Wirbelkörpers ist eine Indikation zur Operation.

Axiale Spondyloarthritiden treten insbesondere bei jüngeren Patienten vor dem 40. Lebensjahr auf. Die Betroffenen berichten über eine anhaltende morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule, über ein Schmerzmaximum am frühen Morgen und die Besserung bei Bewegung. Als Basislabor sollte man Blutbild, CRP, BSG und ­HLA-B27 bestimmen und den Patienten bei entsprechenden Ergebnissen umgehend einem Rheumatologen vorstellen.

Kreuzschmerzen gehen meist vom Bewegungsapparat aus. Doch auch internistische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Lungenembolie oder Aortenaneurysma können akute Rückenschmerzen hervorrufen, die mitunter tiefer in den lumbalen Übergang ausstrahlen. Zudem sollte man bei unklarem Kreuzschmerz auch an ­Herpes ­zoster oder an Lyme-­Radikulitis als Folge eines Zeckenstichs denken.

Quelle: Burchert D, Schwill C. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 379-389; DOI: 10.1055/a-1581-5510