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Laborwerte Laborkrank oder krank?

Viszeralmedizin 2023 Autor: Kathrin Strobel

Manchmal stößt man durch Zufall auf auffällige Laborwerte. Dann gilt es, Ursachenforschung zu betreiben. Manchmal stößt man durch Zufall auf auffällige Laborwerte. Dann gilt es, Ursachenforschung zu betreiben. © sp4764 – stock.adobe.com
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Nicht jeder erhöhte Laborwert verlangt nach einer Behandlung. Das gilt insbesondere dann, wenn die Patienten keinerlei Beschwerden aufweisen. Abgeklärt werden müssen Abweichungen jedoch i.d.R. schon – vier Experten erklären, wie man im Fall von Lipase, Gamma-GT, Ferritin und Kreatinkinase vorgehen sollte.

Lipase

Neben einer akuten oder chronischen Pankreatitis gibt es jede Menge Differenzialdiagnosen, die man bei erhöhten Lipasewerten abwägen sollte, erklärte Prof. Dr. Patrick­ Michl­, Universitätsklinikum Heidelberg. Beispiele sind das Pankreaskarzinom, die Niereninsuffizienz, ein entgleister Diabetes, die Zöliakie, Virushepatitiden oder CED. In den genannten Fällen geht der Lipaseanstieg allerdings meist mit Symptomen einher. Was aber tun, wenn bei fehlender Symptomatik erhöhte Werte erfasst werden?

Zuallererst kann eine genaue Anamnese helfen. So können eine ganze Reihe von Medikamenten (z.B. Checkpoint-Inhibitoren) zu einer Erhöhung der Lipase führen – und in ca. einem Drittel der Fälle blieben die Patienten ohne Symptome.

Laut der DGVS*-Leitlinie zur Pankreatitis ist die asymptomatische Hyperlipas­ämie definiert als Erhöhung der Serum-Lipase auf mindestens das Dreifache der oberen Norm in Abwesenheit von klinischen Symptomen und bildmorphologischen Kriterien für eine Pankreatitis – „wohlwissend“, so Prof. Michl, „dass die Evidenz gleich null hierfür ist und dass wir Patienten, die ein-, zweifach über der Norm sind, dadurch verlieren.“

In Studien, in denen man Patienten mit asymptomatischer Lipaseerhöhung mittels Bildgebung untersucht hat, ergaben sich bei einem beträchtlichen Anteil pathologische Befunde. Sie reichten von einer chronischen Pankreatitis über intraduktale papillär muzinöse Neoplasien bis hin zum Karzinom.

„Was können wir evidenzbasiert in diesem Szenario anbieten?“, fragte der Kollege ins Plenum. Die Leitlinie halte sich zu dem Thema bedeckt, da es kaum Evidenz gebe. Nach Meinung von Prof. Michl ist ein gründliches diagnostisches Workup inkl. ausführlicher Anamnese wichtig. Das schnittbildgebende Verfahren seiner Wahl sei die MRT/MRCP. Über den Stellenwert der EUS könne man trefflich diskutieren. „In den Händen eines geübten Untersuchers ist sie durchaus auch alternativ zu sehen“ – zumindest bei unklaren Befunden, wenn die MRT kontraindiziert ist oder der Verdacht auf einen Tumor besteht.

Gamma-GT

Eine Erhöhung der Gamma-GT wird häufig mit Alkohol assoziiert. Dass das bei Weitem nicht die einzige Ursache sein kann, betonte Prof. Dr. Ali­ Canbay­, Medizinische Universitätsklinik Knappschaftskrankenhaus Bochum. Eine isolierte Erhöhung der Gamma-GT auf mindestens 500 U/l ohne gleichzeitige Erhöhung von GPT oder AP spricht für eine toxische Konstellation. Differenzialdiagnostisch gilt es, eine maligne Infiltration auszuschließen – insbesondere, wenn die Gamma-GT bei über 1.000 U/l und die AP unter 500 U/l liegt. Dann ist eine Schnittbildgebung indiziert.

Eine AP über 500 U/l mit einer Gamma-GT über 500 U/l weist auf eine cholestatische Konstellation hin, die man sonografisch abklären sollte (Gallengänge erweitert? Hepatomegalie? Raumforderung?). Bei Gamma-GT-Werten zwischen 100 und 300 U/l hat man es mit einer unspezifischen, nicht-cholestatischen Abweichung vom Normwert zu tun. Sie kann in Kombination mit einer Erhöhung von AP und Gesamt-Bilirubin auf eine primär sklerosierende Cholangitis hinweisen. Kommen gleichzeitig gesteigerte GOT- und GPT-Konzentrationen hinzu, liegt ggf. eine alkoholische Steatohepatitis oder eine nicht-alkoholische Fettleber vor. Wegweisend für die Unterscheidung der beiden Entitäten ist das Verhältnis von GOT und GPT. Eine GOT/GPT-Ratio ≥ 2:1 spricht für eine äthyltoxische Genese, ein Verhältnis < 2:1 für ein C2-unabhängiges Geschehen.

Schließlich kann es auch im Rahmen einer Zöliakie zu erhöhten Gamma-GT-Werten kommen, so der Kollege. Bei Patienten mit diagnostizierter Zöliakie normalisieren sich die Spiegel i.d.R. durch die glutenfreie Diät. Findet sich keine Ursache für eine isolierte Gamma-GT-Erhöhung, sollte man die sogenannte Makro-Gamma-GT bestimmen lassen, erklärte Prof. Canbay.

Ferritin

Welche Rolle Ferritin im Körper genau hat, ist nur zum Teil geklärt, so Prof. Dr. Matthias­ Wettstein­, Klinikum Passau. Zahlreiche Mechanismen können zu einem Anstieg des Serumferritins führen. Im Routinelabor werden immer wieder erhöhte Ferritinwerte gefunden. Das dürfte bei bis zu 15 % der Patienten passieren. Und der weitaus größte Anteil dieser Gruppe von Personen hat keine Eisenspeicherkrankheit, sagte Prof. Wettstein.

Die Diagnostik sollte basale Untersuchungen in Bezug auf Eisenüberladung, Entzündungsprozesse metabolische Erkrankungen (z.B. Adipositas, NASH, Diabetes) und Alkoholkonsum umfassen. Zur Labordiagnostik gehören Transferrinsättigung, CRP, Blutbild, TSH, HbA1c und Leberwerte. Die körperliche Untersuchung und eine Sonografie runden die Diagnostik ab. Bei erhöhter Transferrinsättigung empfiehlt sich eine HFE**-Gendiagnostik.

Weitergehende Untersuchungen zur Klärung der Genese einer isolierten asymptomatischen Hyperferritinämie sind im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, betonte der Kollege. Da den abnormen Werten nur bei einem äußerst kleinen Teil der Patienten ohne Beschwerden eine hereditäre Hämochromatose zugrunde liegt, ist ein versuchsweiser Aderlass unbedingt zu vermeiden, mahnte er.

Kreatinkinase

Ist die Kreatinkinase (CK) erhöht, gilt es zuallererst zu klären, ob man es überhaupt mit einer relevanten Abweichung zu tun hat. Denn: „‚Erhöht‘ ist ein weites Feld“, erklärte Prof. Dr. Elisabeth­ Märker-­Hermann­, Helios Dr. Horst ­Schmidt Kliniken GmbH Wiesbaden. Die Referenzwerte für CK unterscheiden sich von Labor zu Labor und von Testmethode zu Testmethode. Sie sind außerdem abhängig z.B. vom Alter und dem Geschlecht der Patienten sowie von deren Ethnie.

Im Rahmen der Anamnese sollte man zwingend nachfragen, ob der Patient in den letzten Stunden und Tagen Sport getrieben hat. Denn in Abhängigkeit von der Art der Anstrengung kann körperliche Betätigung, insbesondere bei nicht trainierten Menschen, zu einem CK-Anstieg bis auf das 30-Fache des Referenzwerts führen. Eine Normalisierung tritt i.d.R. innerhalb von sieben Tagen ein. Weitere potenzielle Ursachen, die es abzufragen gilt, sind Liegetraumata und die Einnahme bestimmter Medikamente.

„Und wir müssen den Patienten natürlich klinisch untersuchen, ob er überhaupt Hinweise auf eine Muskel­erkrankung zeigt“, so die Kollegin. Ist die Muskeluntersuchung normal und der Patient klagt nicht oder nur über sehr milde Muskelsymptome, schaut man nach einer Erhöhung der CK-MB (> 6 %) und prüft dann, ob dies eine kardiale Ursache hat. Falls sich dadurch die Werte nicht erklären lassen, kann es lohnen, die Makro-CK zu bestimmen.

Bei einer CK-MB < 6 % empfiehlt­ es sich, die CK-Messung zweimal im Abstand von jeweils 36 h ohne sportliche Betätigung des Patienten zu wiederholen. Ergibt sich daraus ein normaler Wert, sind keine weiteren Untersuchungen notwendig. Liegt der Wert auch weiterhin ca. 1,5-fach über dem Schwellenwert, emp­fiehlt die Kollegin, zunächst das Labor zu erweitern um GOT, GPT, Myoglobin, CRP, Ca, Phosphat, Laktat, LDH ,TSH, fT3 und fT4. Lässt sich hierdurch keine Ursache festmachen, sollte man das Vorliegen von ­Makro-CK in Betracht ziehen.

Und schließlich gibt es eine Reihe von neuromuskulären Ursachen einer CK-Erhöhung wie Muskel­dystrophien und Myopathien. Sie erfordern eine spezifische Diagnostik, vorzugsweise in Kooperation mit der Neurologie. Als Sonderfall, den man auf dem Schirm haben sollte, nannte Prof. ­Märker-Hermann immunvermittelte idiopathische inflammatorische Myopathien bzw. autoimmune Myo­sitiden. Sie sind selten, aber relevant, da sie häufig mit schwerwiegenden Organbeteiligungen sowie mit Malignomen einhergehen und einer immunsuppressiven ­Behandlung bedürfen.

*    Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
**    humaner homöostatischer Eisenregulator

Kongressbericht: Viszeralmedizin 2023