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Kardiovaskuläres Risiko LDL-Cholesterinspiegel als kausaler Risikofaktor

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Das kardiovaskuläre Risiko korreliert mit der Höhe des Cholesterinspiegels und mit der Dauer der Exposition. Das kardiovaskuläre Risiko korreliert mit der Höhe des Cholesterinspiegels und mit der Dauer der Exposition. © ipopba – stock.adobe.com
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LDL-Cholesterin ist und bleibt der kausale Risikofaktor für Dyslipidämie und kardiovaskuläre Erkrankungen. Das macht es auch zum primären Ansatzpunkt von Präventionsmaßnahmen und der Pharmakotherapie.

Etwa 50–60 % der Menschen in Deutschland haben eine Fettstoffwechselstörung. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen ist die Erkrankung nicht diagnostiziert, und nur ein Drittel der Patienten mit bekannter Dyslipidämie wird medikamentös behandelt. Das große Potenzial, das die lipidsenkenden Wirkstoffe für die Reduktion des kardiovaskulären Risikos besitzen, wird also bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Jeder Mensch sollte zumindest einmalig im Erwachsenenalter auf eine Fettstoffwechselstörung hin gescreent werden, schreiben die Mediziner der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie des Klinikums der Landeshauptstadt Stuttgart. Bestimmt werden Gesamtcholesterin, Low-Density-Lipoprotein(LDL)- und High-Density-Lipoprotein(HDL)-Cholesterin sowie Triglyzeride. Ist das Lipidprofil auffällig, müssen zunächst sekundäre Fettstoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden, etwa eine Schilddrüsenfunktionsstörung, ­Diabetes ­mellitus, Leber- oder Nierenkrankheiten.

Bei unauffälligen Werten können alle drei bis fünf Jahre Kontrolluntersuchungen erfolgen. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko und Stoffwechsel­erkrankung sollte der Lipidstatus jährlich überprüft werden, unter Therapie alle drei bis sechs Monate. Eine Routineüberprüfung des Lipoproteins (a) ist nicht sinnvoll, da dessen Spiegel genetisch determiniert und keiner zielgerichteten Therapie zugänglich sind, abgesehen von der Lipidapherese.

Das kardiovaskuläre Risiko korreliert mit der Höhe des Cholesterinspiegels und mit der Dauer der Exposition. Es stehen verschiedene Scores zur Verfügung, um das individuelle Risiko von Patienten anhand von Alter, Geschlecht, Raucherstatus, Blutdruck, Komorbiditäten und Cholesterinspiegel abschätzen zu können.

Je höher das Risiko, desto niedriger die LDL-C-Grenze

In den Leitlininen der European Society of Cardiology (­ESC) und der ­European Atherosclerosis Society (EAS) wird das Punkte­system ­SCORE (systematic coronary risk estimation) bzw. die aktualisierte Version SCORE2 empfohlen. Mit ihnen lässt sich das Zehn-Jahres-Risiko für ein tödliches kardiovaskuläres Ereignis kalkulieren.

Je höher das individuelle Risiko ausfällt, desto niedriger muss der Zielwert für das ­LDL-C liegen. Sehr hohes Risiko besteht z.B. für Patienten mit

  • manifester kardiovaskulärer Erkrankung,
  • Diabetes mellitus mit Endorganschäden,
  • schwerer chronischer Niereninsuffizienz,
  • familiärer Hypercholesterinämie 
  • oder bei einem SCORE-Risiko ≥ 10 %.

Für solche Patienten gilt ein LDL-C-Zielwert von < 55 mg/dl. Zudem sollten sie eine Reduktion des Wertes um mindestens 50 % anstreben, ein Apolipoprotein B < 65 mg/dl und ein Non-HDL-C < 85 mg/dl.

Die meisten Patienten brauchen neben einer gesunden Lebensführung eine medikamentöse Therapie. Statine – bevorzugt die hoch­potenten Substanzen ­Atorvastatin und ­Rosuvastatin – stehen dabei an erster Stelle. Die Therapie sollte niedrig dosiert beginnen und entsprechend des Ansprechens, der Verträglichkeit und des LDL-Zielbereichs auftitriert werden. Bei statinassoziierten Muskelbeschwerden sollte die Therapie für mindestens zwei bis vier Wochen pausiert und danach mit demselben Statin oder einem anderen Vertreter der Wirkstoffgruppe fortgeführt werden.

Senken Statine den LDL-Cholesterinspiegel nicht ausreichend, lassen sie sich sukzessive mit ­Ezetimib, später mit Bempedoinsäure kombinieren. Bei Statinunverträglichkeit können ­Ezetimib und Bempedoinsäure miteinander gegeben werden. Beide eignen sich auch als Monotherapie.

Sehr starke Effekte auf den LDL-C-Spiegel haben die monoklonalen Antikörper Alirocumab und Evolocumab, die das Enzym PCSK9 (proprotein convertase subtilisin/kexin 9) hemmen. Dadurch verringert sich der PCSK9-vermittelte Abbau von LDL-Rezeptoren und die LDL-Konzentration im Blut sinkt um etwa 60 %. Alirocumab und Evolocumab finden zum Beispiel bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie Einsatz oder bei Menschen mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko, bei denen eine deutliche Absenkung des LDL-C erforderlich ist.

Das RNAi(RNA-Interferenz durch small interfering RNA)-Therapeutikum Inclisiran wirkt über ein anderes Prinzip. Es hemmt in den Hepatozyten das Ablesen des RNA-Strangs für die PCSK9, sodass die Enzym-Synthese unbterbunbden wird.

Quelle: Stanojevic S et al. internistische praxis 2022; 66: 10-20