Anzeige

Manifestationen der Borreliose richtig erkennen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Von der Zecke in den Menschen: Bemerkbar machen sich die Borrelien unter anderem durch Rötungen der Haut. Von der Zecke in den Menschen: Bemerkbar machen sich die Borrelien unter anderem durch Rötungen der Haut. © wikimedia/Jim Gathany (CDC)
Anzeige

Der Frühling steht vor der Tür. Ab dann kommen wieder Patienten in die Praxis, weil sie eine Borreliose befürchten. Aber leiden sie tatsächlich unter den spezifischen Symptomen?

Eine Lyme-Borreliose macht sich in bis zu 90 % der Fälle an der Haut bemerkbar. Dennoch können verschiedene Früh- und Spätsymptome auftreten, weswegen sie jeder Praktiker kennen sollte, schreiben Dr. Cora Scheerer von der Klinik für Dermatologie und Al­lergologie am Biederstein der Technischen Universität München und ihre Kollegen.

Das typische randbetonte Erythema migrans entwickelt sich meist nach einigen Tagen um die Einstichstelle herum. Es ist nicht erhaben, die Rötung wandert von innen ausgehend mindestens 5 cm nach außen. Die Wanderröte kann in manchen Fällen die einzige Erscheinung bleiben und muss nicht immer leuchtend rot sein. Gelegentlich ist sogar „Rötung“ übertrieben, die Veränderung erscheint allenfalls blassrosa, oder nur bei Erwärmung, schreiben die Experten. In anderen Fällen ist sie fleckig oder infiltriert. Über die zentrifugale Zunahme der nicht erhabenen, randbetonten Rötung – Crescendo-Reaktion – lässt sich das Erythema migrans von allergischen Reaktionen auf Insektenstiche unterscheiden. Klingt es nicht nach spätestens vier Wochen ab, hat der Patient ein Erythema chronicum migrans entwickelt.

Symptomloses Knötchen an Ohrläppchen oder Brustwarze

Nachhaken sollte man, wenn der Patient nur über die charakteristische Rötung berichtet: Nicht jeder erinnert sich an die Begegnung mit der Zecke. In manchen Fällen lässt das Frühsymptom bis zu 30 Tage auf sich warten. Dann ist auch die Einstichstelle kaum mehr sichtbar.

Breiten sich die Borrelien über das Bindegewebe aus, kommt es zu multiplen Erythemen. Die zusätzlichen Hautrötungen müssen nicht persistieren, sondern rezidivieren mitunter über Tage oder Wochen. Gelangen die Spirochäten über die Blutbahn in andere Organe, entwickeln Patienten mitunter systemische grippeähnliche Symptome und/oder neurologische Mani­festationen.

Das Borrelien-Lymphozytom aufgrund einer Lymphozyten-Hyperplasie ist ebenfalls ein lokales Frühsymptom, wenn auch ein weniger bekanntes. Dabei fällt meist ein einzelnes, leicht gerötetes, sonst symptomloses Knötchen vor allem an Ohrläppchen, den Brustwarzen oder anogenital auf. Gelegentlich treten die Knoten auch innerhalb eines chronifizierten Borrelienerythems in Erscheinung.

Die Acrodermatitis chronica atrophicans stellt die häufigste Spätmanifestation der Krankheit an der Haut dar – und die Betonung liegt wirklich auf spät: Monate bis Jahre können vergehen, bis die Veränderung auftritt, die anfangs auch kaum Beschwerden verursacht. Dementsprechend häufig wird sie verkannt. Die zunächst leicht gerötete, ödematös infiltrierte Haut mit nicht-schuppenden Plaques vor allem an den Beinen lässt sich mit einer chronisch venösen Stauungs­insuffizienz verwechseln.

Die Atrophie entwickelt sich erst allmählich: Die lokale Behaarung geht verloren, es kommt zu lividen, bräunlichen Verfärbungen, die Gefäße zeichnen sich deutlich ab, die Haut faltet sich papierartig. Mehr als die Hälfte der Betroffenen entwickelt außerdem peripher-neurologische Symptome wie Parästhesie, Allodynie, Myalgie und Arthralgie.

Wesentlich seltener verursachen die Spirochäten ausschließlich eine Neuroborreliose, betonen die Fachleute. Frühmanifestationen wie Bannwarth-Syndrom (Polyradikuloneuritis) und Meningitis treten bereits wenige Wochen nach der Infektion auf. Betroffen sind meist Spinalnerven und in gut der Hälfte der Fälle auch Hirnnerven, vor allem der Nervus facialis. Auch eine alleinige Hirnnervenbeteiligung ist möglich.

Erwachsene klagen am häufigsten über brennende Schmerzen, vor allem nachts. Im Verlauf können Parästhesien und Paresen in den Versorgungsgebieten der betroffenen Nerven dazu kommen, z.B. als Mononeuritis multiplex. Bei Kindern mit Neuroborreliose sieht man dagegen häufiger eine Meningitis mit Kopfschmerzen, steifem Nacken, Reizbarkeit und – typischerweise – einer Fazialisparese. Späte Neuroborreliosen sind die Ausnahme, da sie nur etwa zwei von 100 Erkrankungsfällen ausmachen. Sie treten vor allem als Enzephalomyelitis auf, mit spastisch-ataktischem Gangbild und Störungen beim Wasserlassen (Zeichen der Myelitis). Bei manchen Patienten kommen Aphasie und Krampfanfälle dazu (Zeichen der Enzephalitis).

Einteilung der Borreliose-Symptome
Haut
Nervensystem (Neuroborreliose)
früh

lokalisiert: Erythema migrans (Wanderröte), Erythema ­chronicum migrans, Borrelien-Lymphozytom (Knötchen)Polyradikuloneuritis (Bannwarth-Syndrom) Meningitis
disseminiert: multiple Erythemata migrantia
spät
Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) Enzephalomyelitis Borrelien-induzierte zerebrale Vaskulitis periphere Polyneuritis/Polyneuropathie (+ ACA)

Entzündung der Hirngefäße ist eine Rarität

Einen absoluten Sonderstatus aufgrund ihrer Seltenheit hat die borrelieninduzierte intrakranielle Vaskulitis. Man erkennt die Gefäßentzündung in der CT, MRT oder Duplex-Sonographie, vor allem im posterioren Stromgebiet. Für die Prognose ist besonders die Lokalisation und Ausdehnung des ischämischen Gebiets entscheidend. Eine Spät-Neuritis/-Polyneuropathie tritt dagegen eigentlich nur in Kombination mit den Hautsymptomen im Rahmen einer Acrodermatitis auf.

Quelle: Scheerer C et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 19-28; DOI: 10.1055/a-0793-4513