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Sterbewunsch von Palliativpatienten Nicht mehr essen, nicht mehr trinken

Autor: Liesa Regner-Nelke/Birgit Maronde

Der Wunsch des Patienten, keine Nahrung und Flüssigkeit mehr zu sich zu nehmen, wurde nach klinisch ethischer Abwägung respektiert. (Agenturfoto) Der Wunsch des Patienten, keine Nahrung und Flüssigkeit mehr zu sich zu nehmen, wurde nach klinisch ethischer Abwägung respektiert. (Agenturfoto) © Elnur – stock.adobe.com
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Ein schwerstkranker Patient will sterben und deshalb auf Nahrung und Flüssigkeit verzichten. Das ist sein gutes Recht, stellt aber seine Familie und das Behandlungsteam vor gehörige Probleme. Wie die Begleitung in solch einem Fall aussehen kann.

Die ersten Symptome der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zeigten sich bei Herrn T. im Frühjahr 2020: eine sich ausbreitende Muskelschwäche, zunehmende Schwierigkeiten beim Sprechen und eine Dysphagie. Die Beschwerden nahmen rasch zu und schon bald konnte der Mann – ehemaliger Polizist und sportlich aktiv – feinmotorische Tätigkeiten nicht mehr bewältigen. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Krankheitsverlauf und befürchtete ein langsames Sterben mit zunehmendem Autonomieverlust. Solch ein Ende erschien ihm in­akzeptabel.

Patient war über rechtliche Möglichkeiten gut informiert

Ein ärztlich assistierter Suizid im Ausland kam für ihn nicht infrage, sehr wohl aber die Option, durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken den Tod herbeizuführen. Als er zur Abklärung seines Sterbewunsches stationär aufgenommen wurde, war er über die rechtlichen Möglichkeiten bestens informiert, berichten Dr. Yann-Nicolas Batzler­ und Kollegen vom interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Wie zunächst das Palliativteam und nachfolgend auch ein Psych­iater feststellten, war der Patient weder durch eine Depression noch durch eine andere psychiatrische Krankheit eingeschränkt. Es schien keine Beeinflussung durch Dritte zu geben und der Todeswunsch fluktuierte auch nicht. Man konnte daher davon ausgehen, dass Herr T. uneingeschränkt einwilligungsfähig war.

Im nächsten Schritt klärte das Palliativteam ihn und seine Familie ausführlich über die Möglichkeiten auf, quälende Symptom bei ALS zu kontrollieren, wobei auch die palliative Sedierung zur Sprache kam. Es folgten die Falldiskussion im multiprofessionellen Team und die klinisch ethische Fallbesprechung, die vom Ethikkomitee der Klinik moderiert wurde. Letztere erfolgte nach einem standardisierten Protokoll, bei dem medizinische, pflegerische, juristische, soziokulturelle und spirituelle Aspekte diskutiert, Handlungsoptionen zusammengefasst und bewertet wurden. Am Ende votierte das Team dafür, Herrn T. auf seinem gewählten Weg palliativmedizinisch zu begleiten.

Nachdem auch die schriftliche Aufklärung erfolgt war, stellte Herr T. das Essen und Trinken ein. Zwar traten in den ersten Tagen keine relevanten Symptome auf, doch dann quälten den Patienten sein trockener Mund und Durst, dem mit Mundpflege begegnet werden konnte. Die intermittierend auftretende Dyspnoe wurde mit Morphin behandelt. Am fünften Tag der Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz starb der Patient. Seine Familie hatte schon während des stationären Aufenthalts eine intensive psychologische Betreuung erhalten, sie wurde nun als Trauerbegleitung fortgesetzt. Für das Palliativteam fand eine retrospektive Fall­superversion statt, um das Geschehene besser verarbeiten zu können.

Der Wunsch, sein Leben wie Herr T. zu beenden, wird von vielen Pal­liativmedizinern akzeptiert. So heißt es in einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin: Der Entschluss eines/einer entscheidungsfähigen Patienten/Patientin, durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken aus dem Leben zu scheiden, ist Ausdruck von Selbstbestimmung und vom Behandlungsteam als Sterbewunsch wahrzunehmen und zu respektieren.

Quelle: Batzler YN et al. Rheinisches Ärzteblatt 2021; 75: 25-26