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Tuberkulose-Impfung senkt Risiko für Bronchialkarzinome

Autor: Josef Gulden

60 Jahre nach der Impfung erfolgte nun eine Analyse zum Auftreten von Tumoren. 60 Jahre nach der Impfung erfolgte nun eine Analyse zum Auftreten von Tumoren. © iStock/Nastco_
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Impfen gegen Krebs – ein vielfach verfolgtes, aber bislang kaum in der Praxis angekommenes Thema. Epidemiologische Daten lassen nun vermuten, dass eine seit Langem verfügbare Tuberkulose-Impfung möglicherweise auch vor malignen Lungentumoren schützt.

Die BCG-Vakzine ist ein Lebendimpfstoff, bestehend aus abgeschwächten Mycobacterium-bovis-Keimen, der zur Prävention der Tuberkulose (Tb) entwickelt wurde. Sie ist die einzige von der Weltgesundheitsorganisation anerkannte Tuberkulose-Vakzine. Mit ihr werden derzeit vor allem Kinder in Ländern mit einer hohen Prävalenz der Erkrankung immunisiert.

Die Wirksamkeit der Vakzine, die sich vor allem in der Verhinderung der extrapulmonalen disseminierten Tuberkulose und der Tb-Meningitis zeigt, kann für mehr als 50 Jahre anhalten. Sie wird zudem standardmäßig zur Therapie des nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinoms verwendet und zeigt eine Reihe von immunmodulatorischen Effekten, schreiben die Autoren um Dr. Nicholas T. Usher, University of the Health Sciences, Bethesda.

Kein Unterschied bei Gesamtrate aller Krebsdiagnosen

In einzelnen Studien mit Nachbeobachtungszeiträumen zwischen 13 und 27 Jahren wurde eine erhöhte Inzidenz von und Mortalität durch Leukämien und Lymphomen beobachtet. Demgegenüber stehen andere Studien, die keine Unterschiede oder reduzierte Inzidenzen und Mortalitätsraten fanden. In einer Metaanalyse gab es einen – wenngleich nicht signifikanten – Rückgang des Risikos für pädiatrische Leukämien.

Die Epidemiologen und Infektionsmediziner nutzten nun eine Langzeitstudie, um den Effekt der BCG-Impfung zu analysieren. Für die Studie waren zwischen 1935 und 1938 Kinder von indianischen und alaskischen Ureinwohnern im Schulalter (median acht Jahre) mit BCG oder Placebo geimpft worden. Zum Analysezeitpunkt (2018/19) waren 2963 Teilnehmer median 60 Jahre lang nachbeobachtet worden. Im Placeboarm waren 633 (44 %) und im BCG-Arm 632 (41 %) verstorben.

Die Gesamtrate der Krebsdiagnosen unterschied sich zwischen beiden Armen nicht signifikant: Es war ein Trend zugunsten des BCG-Arms zu erkennen (HR 0,82; 95%-KI 0,66–1,02). Das galt auch für Leukämien und Lymphome. Das Risiko für maligne Lungentumoren schien dagegen im BCG-Arm signifikant um 62 % reduziert (18,2 vs. 45,4 Fälle pro 100 000 Personenjahre; HR 0,38; 95%-KI 0,20–0,74; p = 0,005). Der Effekt wurde auch in einer multivariaten Analyse deutlich, in der für weitere Risikofaktoren wie Geschlecht, Region, Alkoholmissbrauch, Rauchen und Tuberkulose kontrolliert wurde, so die Autoren.

Die BCG-Immunisierung scheint also in dieser Population das Risiko für Lungenkrebs zu verringern, resümieren Dr. Usher und Kollegen. Die Analyse war zwar retrospektiv, aber die Größe des Effekts mache ein statistisches Artefakt unwahrscheinlich. Angesichts der hohen Mortalität von Lungentumoren und der geringen Kosten einer BCG-Vakzine seien die präventionsmedizinischen Implikationen dieser Befunde enorm.

Kann die Wirkung bestätigt werden?

Weitere langfristige BCG-Impfstudien laufen etwa in Großbritannien und in Norwegen und sollten ebenfalls auf einen Trainingseffekt des Immunsystems durch die Vakzinierung analysiert werden, betonen die Wissenschaftler. Bestätigt sich dieser, so könnte man eine BCG-Vakzine als „Krebsimpfung“ in Erwägung ziehen – während es für eine therapeutische Rolle beim Lungenkrebs keine Evidenz gibt.

Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch unklar. Die Wissenschaftler schlagen als mögliche Erklärung ein „Training“ des Immunsystems durch die Vakzinierung vor, da eine Tuberkulose-Infektion nicht Voraussetzung für das verringerte Lungenkrebsrisiko ist. 

Quelle: Usher NT et al. JAMA Netw Open 2019; 2: e1912014; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2019.12014