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Interview mit Dr. Julia Löffler Über den Nutzen der HPV-Vakzine und was die Impfquote steigern könnte

Autor: Dr. Judith Besseling

Die frühzeitige HPV-Immunisierung ist eine wirksame Präventivmaßnahme gegen Infektionen mit High-Risk-HPV-Typen. Die frühzeitige HPV-Immunisierung ist eine wirksame Präventivmaßnahme gegen Infektionen mit High-Risk-HPV-Typen. © Kt Stock – stock.adobe.com
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Laut WHO sollten 90 % der 15-jährigen Mädchen gegen humane Papillomviren geimpft sein. In Deutschland sehen diese Zahlen deutlich schlechter aus. Woran das liegt und warum andere Länder besser abschneiden, verriet uns Dr. ­Julia Löffler, Berlin Institute of Health in der Charité.

Wer sollte sich gegen HPV impfen lassen?

Im Laufe des Lebens infiziert sich ein Großteil der Menschen mit humanen Papillomviren (HPV). Die frühe Infektion verläuft meist asymptomatisch. Bei persistierender Infektion der Epithelzellen mit den High-Risk-HPV-Typen 16 und 18 entstehen im weiteren Verlauf Neoplasien, bevor sich HPV-assoziierte Karzinome, bspw. der Zervix, der Anogenitalregion oder des Oropharynx ausbilden können. 

Die HPV-Immunisierung ist eine wirksame Präventivmaßnahme gegen Infektionen mit diesen High-Risk-HPV-Typen, wenn Sie frühzeitig in Anspruch genommen wird – optimalerweise vor HPV-Erstkontakt bzw. Erstexposition, beim Sexual- oder Intimkontakt. Daher gilt die Empfehlung der STIKO seit 2006 für Mädchen im Alter von 9–14 Jahren und seit 2018 auch für Jungen in diesem Alter. Nachholvakzinierungen werden für beide Geschlechter im Alter von 15–17 Jahren empfohlen. 

Seit 2006 gibt es bereits die Vakzine. Wie gut wird diese in Deutschland angenommen?

Dr. Julia Löffler: Die aktuellen, offiziellen Impfquoten, die vom Robert Koch-Institut (RKI) Ende Dezember 2022 veröffentlicht wurden, basieren auf den KV-Impfsurveillance-Daten mit Stand Dezember 2020. Sie liegen für eine vollständige Impfserie bei 15-jährigen Mädchen bei 51 % und bei 15-jährigen Jungen bei 17 %. Für 18-jährige Mädchen ist die Quote mit 54,1 % kaum höher, während die für 18-jährige Jungen bei 8,1 % liegt. Von einer hohen bzw. ausreichenden Inanspruchnahme können wir hier also leider noch nicht reden. Als Anhaltspunkt: Die WHO und die EU haben eine 90%ige Impfquote bei 15-jährigen Mädchen als Ziel vorgegeben.

Warum fallen die Quoten deutlich geringer aus als in anderen europäischen Ländern?

Dr. Löffler: Hierzu gibt es vielfältige Diskussionen und sicherlich eine Mehrzahl an Faktoren, die schwer voneinander zu trennen sind. Tatsächlich haben wir auch regional starke Unterschiede. Spitzenreiter sind Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit einer jeweils rund 70%igen Quote für 15-jährige Mädchen, während beispielsweise Baden-Württemberg und Bremen nur bei rund 40 % liegen.

Die Impfquoten unserer europäischen Nachbarn und besonders der Nordeuropäischen Länder sind unseren weit voraus und liegen für 15-jährige Jungen und Mädchen in Norwegen bei 90 % während sowohl in Schweden, als auch in Großbritannien 77 % der Jungen und 83 %der Mädchen eine vollständige Impfserie haben. Diese Länder setzen vor allem auf nationale HPV-Impfprogramme, wobei auch Schulen für die Verbreitung von Informationen, sowie für die tatsächliche Impfung genutzt wurden und werden. Dazu wurde u.a. über Social Media auf die Programme aufmerksam gemacht. 

Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland eine einheitliche, seriöse und breitangelegte Aufklärungs- und Informationskampagne fehlt, die auf die jeweiligen Zielgruppen abgestimmt ist. Auch fällt der Zeitraum der empfohlenen Vakzinierung genau in die Zeit zwischen U11 und J1 und wird daher eventuell eher übersehen. Ein Einladungs-und Erinnerungssystem könnte hier unterstützen. 

Ein weiterer Faktor, der den Impfquoten nicht zuträglich war, ist die COVID-19-Pandemie. Einerseits kann man eventuell von einer gewissen Impfmüdigkeit und Missinformationen hinsichtlich Impfungen im Allgemeinen sprechen. Andererseits wurden nicht zwingend notwendige Ärzt:innenbesuche reduziert. Hier sind einige Impflücken entstanden – und dies nicht nur in Deutschland. Auch in unseren Nachbarländern konnte man das gut beobachten. So sank die Impfquote in England von 84 % in 2019 auf 66 % in 2020 ab, konnte aber sobald die Schulen geöffnet und die Impfprogramme wieder aufgenommen wurden, erneut auf 83 % innerhalb eines Jahres gebracht werden. 

Informationskampagne für mehr Prävention

Die Initiative Vision Zero e.V. und das Deutsche Krebsforschungszentrum nehmen die niedrige Impfquote in Deutschland zum Anlass, sich für mehr Prävention von HPV-bedingten Krebserkrankungen einzusetzen. Gemeinsam haben sie einen Flyer entworfen, in dem Hintergrundinformationen zu humanen Papillomviren zu finden sind, welche Karzinome sie verursachen können und wie die Impfung abläuft.

Anfragen an info@vision-zero-oncology.de.
Als PDF gibt es den Flyer hier

Welchen Nutzen könnte ein HPV-Impfregister mit sich bringen?

Dr. Löffler: Ein direkter Nutzen ist die systematische Erfassung der HPV-Impfquoten, welche regelmäßig wissenschaftlich analysiert und evidenzbasiert evaluiert werden können. Somit könnte man bspw. Einflüsse wie eine Pandemie auf die Impfraten analysieren oder auch die Effizienz der Vakzinierung selbst für Deutschland evaluieren. 

Für ein gutes Beispiel können wir erneut nach Schweden und England schauen. Registerstudiendaten aus beiden Ländern konnten Ende 2020 und 2021 die Effektivität der HPV-Immunisierung in der Reduzierung von Zervixkarzinomfällen wissenschaftlich belegen. Bis dato war die Reduktion von CIN-Läsionen wissenschaftlich belegt. Bei der schwedischen Registerstudie, die im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde, werteten die Autor:innen Daten von 1,7 Mio. Mädchen und Frauen aus. Bei einer vollständig abgeschlossenen Impfserie vor dem 18. Geburtstag, wurde eine 88%ige Risikoreduktion von invasiven Zervixkarzinomen gegenüber nicht geimpften Mädchen und Frauen erreicht. 

In der zweiten Studie aus England, die in „The Lancet“ erschien, wurden sogar Daten von 13,7 Mio. Mädchen und Frauen untersucht, mit dem Ergebnis: Je früher immunisiert wird, desto effektiver ist der Schutz. Bei einer abgeschlossenen Impfserie im Alter von 12–13 Jahren zeigte sich ein um 87 % vermindertes Risiko für Zervixkarzinome gegenüber ungeimpften Gruppen. Wurde im Alter von 14–16 Jahren geimpft, war eine Risikoreduktion von 62 % möglich.

Interview: Dr. Judith Besseling

Dr. Julia Löffler
Wissenschaftliche Referentin,
Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité
Dr. Julia Löffler Wissenschaftliche Referentin, Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité © zVg