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Hyperplasien der Rachenmandeln Warten oder operieren?

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Rechts im Bild: Adenoide Vegetationen bei einem neunjährigen Kind – ohne Symptome gelten sie als nicht behandlungsbedürftig. Rechts im Bild: Adenoide Vegetationen bei einem neunjährigen Kind – ohne Symptome gelten sie als nicht behandlungsbedürftig. © tibanna79 – stock.adobe.com; Science Photo Library / Zephyr
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Hyperplasien der Rachenmandeln sind zwar oft harmlos, können aber das Gehör und die Sprachentwicklung empfindlich beeinträchtigen. Deshalb stellt sich die Frage, wer operiert werden muss und wer nicht. Eine aktualisierte Leitlinie fasst Empfehlungen dazu zusammen.

Definitionsgemäß spricht man von adenoiden Vegetationen, wenn die Tonsilla pharyngealis vergrößert ist und eine mechanische Obstruktion und/oder eine chronische Inflammation im Nasenrachen besteht. Entzündliche Erkrankungen werden in diesem Zusammenhang als Adenoiditis bezeichnet. Der Altersgipfel der Patienten liegt zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr, in der Adoleszenz bildet sich das Rachenmandelgewebe natürlicherweise zurück.

Bei typischen Symptomen wie chronischer Mundatmung, rezidivierenden oberen Atemwegsinfekten, Schnarchen und beeinträchtigter Tubenbelüftung plädiert das Autorenteam der aktuell überarbeiteten Leitlinie der DGHNO-HC* für eine fachärztliche Abklärung. Gleiches gilt bei pathologischen Befunden in der Otoskopie. Als rezidiverend gelten dabei Infektionen, die ungewöhnlich schwer verlaufen oder wesentlich häufiger auftreten als im Altersdurchschnitt.

Begleitbeschwerden geben wertvolle Hinweise

Bei Kindern mit Verdacht auf adenoide Vegetationen sollte man zudem gezielt nach verräterischen Begleitbeschwerden fahnden. Beispiele sind nächtliche Atemaussetzer, Schlaf­störungen, Tagesmüdigkeit und Hörschäden.

Während der klinischen Untersuchung ist primär auf eine Facies adenoidea zu achten, die sich mit dauerhaft offenem Mund und sichtbarerer Zungenspitze bemerkbar macht. Zusätzlich besteht häufig ein Ekzem am Naseneingang. Auch Malokklusion, Zahnfehlstellungen und ein hoher Gaumen können auf adenoide Vegetationen hinweisen. Für die fachärztliche Diagnostik empfehlen die Leitlinieautoren eine beidseitige Rhinoskopie, Ohrmikroskopie und Tympanometrie sowie den palpatorischen Ausschluss einer sub­mukösen Gaumenspalte.

Bei der symptomfreien Adenoid­hyperplasie genügt kontrolliertes Zuwarten. Zum Nutzen einer medikamentösen Behandlung gibt es bisher keine Evidenz. Deshalb rät die Leitlinie, die unter Mitarbeit der DEGAM erstellt wurde, von der Anwendung systemischer Steroide, Antibiotika und Antihistaminika ausdrücklich ab.

Kinder mit ausgeprägten Beschwerden (Neigung zu fieberhaften Infekten, anhaltende Ohrprobleme) werden üblicherweise operiert. Gleiches gilt nach frustranen konservativen Therapieversuchen (Zuwarten, topische Steroide, antiallergische Behandlung). Bei Patienten mit entzündlichen Sekundärsymptomen hängt die Indikation zur invasiven Therapie von den Begleitbefunden ab (s. Kasten).

Indikationen zur Adenotomie

  • mindestens vier Episoden einer rezidivierenden eitrigen Rhinorrhö innerhalb der vergangenen zwölf Monate bei einem Kind unter zwölf Jahren
  • Symptome einer Adenoiditis nach zwei Antibiotikabehandlungen, von denen eine mit einem betalaktamasestabilen Wirkstoff über mindestens zwei Wochen erfolgte
  • Otitis media mit Paukenerguss seit mehr als drei Monaten oder trotz Drainage
  • rezidivierende akute und chronische Mittelohrentzündung mit Erguss bei Kindern ab vier Jahren
  • Schlafstörungen mit behinderter Nasenatmung seit mindestens drei Monaten (z.B. Schlafapnoe, sekundäre Enuresis nocturna)
  • chronisch-rezidivierende Belüftungsstörungen des Mastoids
  • Malokklusion oder Beeinträchtigung des orofazialen Wachstums
  • geschlossenes Näseln

Die Adenotomie erfolgt in der Regel ambulant (mit und ohne Para­zentese bzw. Paukendrainage). Allerdings müssen die Angehörigen in den ersten 24 Stunden eine dauerhafte Überwachung der Patienten sicherstellen können. Zudem ist in den ersten drei Tagen körperliche Schonung angesagt. Bei Risiko­faktoren wie Epilepsie, Asthma, Gerinnungsstörungen und Mehrfachbehinderung ist eine stationäre Behandlung vorzuziehen.

Blutungen sind auch nach mehr als 24 Stunden möglich

Als gefährlichste Komplikation drohen Blutungen, die auch jenseits der 24-Stunden-Frist noch auftreten und in Ausnahmefällen tödlich verlaufen können. Während der Intervention kann es durch die eingesetzten Instrumente (Mundsperrer etc.) zu Zahnschäden und zu einer Verletzung des Naseneingangs kommen. Auch postoperative Wund­infektionen sind möglich. Außerdem ist wichtig zu wissen, dass sich trotz ordnungsgemäßer Adenotomie mitunter Rezidive entwickeln.

An temporären Folgen des Eingriffs ist mit einem geschlossenen Näseln und einer zwei bis drei Tage anhaltenden Odynophagie zu rechnen. Ein passageres Schleimhautödem kann die Nasenatmung behindern und eine temporäre Beeinträchtigung des Gaumensegelverschlusses führt eventuell zu einer nasalen Regurgitation von Speisen und Flüssigkeiten.

Sicherheitshalber plädieren die Leitlinienautoren dafür, den Lokal­befund im Verlauf fachärztlich zu kontrollieren. Bei Patienten mit präoperativer Einschränkung der auditiven Funktion oder Belüftung ist eine ambulante Untersuchung angezeigt (Trommelfellbefund, Hörtest etc.).

*    Deutsche Gesellschaft Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

Quelle: S2k-Leitlinie „Adenoide Vegetationen“, AWMF-Register-Nr. 017/021. www.awmf.org