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West-Nil-Virus am Oberrhein? Infizierte Vögel und Pferde als Indikatoren für erhöhtes Risiko

Autor: Dr. Anna-Lena Krause

Das West-Nil-Virus wurde in Deutschland u.a. in Meisen und Amseln gefunden.
Das West-Nil-Virus wurde in Deutschland u.a. in Meisen und Amseln gefunden. © CDC/Cynthia Goldsmith
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Mit dem West-Nil-Virus steckt man sich nicht nur bei Auslandsreisen an. 2019 wurden fünf Fälle einer autochthonen Infektion in Ostdeutschland gemeldet, darunter drei mit neuroinvasivem Verlauf. Experten gehen davon aus, dass sich der Erreger in Deutschland weiter verbreiten wird.

Bis 2018 waren alle gemeldeten Fälle von humanem West-Nil-Fieber reiseassoziiert. Doch inzwischen treten zunehmend autochthone Infektionen auf. 2018 hat sich ein Tierarzt in Bayern bei einem Vogel angesteckt. Von August bis Oktober 2019 gab es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin insgesamt fünf Fälle, die wahrscheinlich erstmals auf eine Übertragung auf den Menschen durch Stechmücken in Deutschland zurückzuführen sind, berichten Experten vom Robert Koch-Institut (RKI). Bei drei dieser Personen war die neuroinvasive Form des West-Nil-Fiebers aufgetreten. Da die Erkrankung nur in einem Prozent der Fälle so schwer verläuft (s. Kasten), ist rein statistisch von mindestens 300 Fällen im vergangenen Jahr auszugehen.

Das Virus überwintert in heimischen Stechmücken

Vor 2018 hatte man in Deutschland mehrfach Antikörper gegen das West-Nil-Virus bei Vögeln nachweisen können, allerdings nie den Erreger selbst. Die Autoren vermuten, dass die Tiere bis dahin nur im Rahmen des Vogelzuges mit dem Virus in Kontakt kamen. Dann entdeckten Labore hierzulande virale RNA in Meisen, Amseln, Habichten, Eulen und anderen Vögeln sowie in Pferden. 2018 waren es insgesamt zwölf Tiere, im darauffolgenden Jahr bereits 83. Zu den betroffenen Regionen im Jahr 2019 zählten auch die Wohnortskreise von allen fünf der o.g. Erkrankten. Infizierte Vögel wurden allerdings nicht nur in Ostdeutschland, sondern z.B. auch in Hamburg entdeckt.

Blut-Hirn-Schranke kein Hindernis

Das West-Nil-Virus verbreitet sich über Vögel und wird durch verschiedene Stechmückenarten auch auf Pferde und Menschen übertragen.
  • Symptome wie Fieber und Hautausschlag treten bei etwa jedem fünften Infizierten auf.
  • Das Virus ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren: In rund 1 % der Fälle kommt es zu einem neuroinvasiven Verlauf (z. T. mit Meningitis, seltener Enzephalitis), die Letalität liegt dann bei ca. 10 %.
  • Seit 2016 sind humane Infektionen mit demWest-Nil-Virus meldepflichtig.
  • Zur Bestätigung einer Infektion reicht die Serologie allein nicht aus, da eine starke Kreuzreaktivität der gebildeten Antikörper mit denen gegen andere Flaviviren (z.B. Usutu-Virus, FSME, Gelbfieber) bestehen. Zusätzlich bedarf es einer Gensequenzierung oder einem speziellen ELISA*.
  • Reiseassoziierte Fälle treten vor allem nach Aufenthalten in Süd- und Südosteuropa sowie in den USA auf.

* Enzyme-linked Immunosorbent Assay

Das Virus überwintert in Mücken und wird von diesen offenbar auch hierzulande auf Menschen übertragen, vor allem von der bei uns weitverbreiteten Gattung Culex. Nach den Erfahrungen in Südeuropa ist es wahrscheinlich, dass sich das Virus in der Bundesrepublik weiter ausbreiten wird, warnen die RKI-Experten. Als potenzielles Risikogebiet gelte vor allem die Region Oberrhein. Ausgedehnte Wärmeperioden könnten zu einer längeren West-Nil-Virus-Saison führen. Im Sommer sollten Ärzte daher insbesondere in Regionen mit positiv getesteten Tieren mit Infizierten ohne Reiseanamnese rechnen. Bei ätiologisch unklaren Enzephalitiden oder einer örtlichen Häufung von Patienten mit unklarem Fieber sei eine entsprechende Diagnostik einzuleiten.

Quelle: Robert Koch-Institut. Epid Bull 2020; 25: 3-10; DOI: 10.25646/6943