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Wie ein ALT-Anstieg bei chronischer Hepatitis B zu interpretieren ist

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Plötzlicher Anstieg der Alanin-Aminotransferase (ALT) im Serum – gutes Zeichen, schlechtes Zeichen? Plötzlicher Anstieg der Alanin-Aminotransferase (ALT) im Serum – gutes Zeichen, schlechtes Zeichen? © iStock/Shidlovski
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Ein Anstieg der Serum-ALT bei Patienten mit chronischer Hepatitis kann eine gute Botschaft oder Anlass zur Besorgnis sein. Wie der erhöhte Leberwert zu interpretieren ist, ergibt sich aus den Begleitumständen und dem Risiko­profil des Patienten.

Patienten mit einer chronischen Hepatitis B durchleben im Verlauf ihrer Krankheit stabile und instabile Phasen, was sich u.a. im plötzlichen Anstieg der Alanin-Aminotransferase (ALT) im Serum manifestiert, schreiben Dr. Marc G. Ghany­ vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases in Bethesda und Kollegen.

Das Problem bei diesen akuten Leberwerterhöhungen: Sie können sowohl Zeichen einer Serokonversion und einer damit verbundenen Viruselimination sein als auch Zeichen einer fortschreitenden Leberzellzerstörung.

Eine einheitliche Definition für den akuten ALT-Anstieg bei Patienten mit chronischer Hepatitis B existiert bisher nicht. Ein Hochschnellen der Konzentration des Leberenzyms auf über das Fünffache des oberen Normgrenzwertes gilt aber bei den meisten Autoren als sicheres Zeichen für eine veränderte Leberzellaktivität, erklären die Gast­roenterologen.

Die meisten ALT-Anstiege verlaufen asymptomatisch. Symptomatische Patienten präsentieren sich meist mit leichten hepatitisähnlichen Beschwerden, in schweren Fällen kann aber auch das Komplettbild einer hepatischen Dekompensation vorliegen.

Nicht jede ALT-Erhöhung weist auf eine Exazerbation hin

Dem hepatitisbedingten ALT-Anstieg voraus geht sowohl bei HBeAg-positiven als auch HBeAg-negativen Patienten ein Anstieg der HBV-DNA. Haben die ALT-Werte ihr Maximum erreicht, fällt die HBV-DNA-Konzentration bereits wieder ab. Nach ein bis zwei Monaten ist dann meist auch die ALT wieder im Normbereich.

Doch Vorsicht: Nicht jede ALT-Erhöhung beruht auf einer Ex­azerbation der Hepatitis. Gedacht werden sollte auch an eine Super­infektion mit anderen hepatotrophen Viren sowie an Schäden durch Medikamente, Drogen, Alkohol oder eine Autoimmunhepatitis.

Sind diese Ursachen ausgeschlossen, wird risikoadaptiert vorgegangen. Patienten unter 30 Jahren ohne Zirrhose, deren HBV-DNA im Serum bereits wieder abfällt, können ohne weitere Maßnahmen über drei bis sechs Monate beobachtet werden. Patienten über 30 Jahre mit stabiler oder noch ansteigender Serum-HBV-DNA sind Kandidaten für eine antivirale Therapie. Patienten mit Zirrhose oder Zeichen einer hepatischen Dekompensation müssen sofort behandelt werden.

Auslöser des ALT-Anstiegs im Rahmen einer Hepatitis sind komplex ineinandergreifende Immunprozesse mit Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), hepatischen Kupffer-Zellen sowie T- und B-Zellen als Hauptakteuren. Was aber dann zur HBV-Virämie und zum anschließenden ALT-Anstieg führt, ist immer noch nicht klar, erklären Dr. Ghany und Kollegen.

ALT-Anstiege können aber auch therapiebedingt sein. Vor allem unter den klassischen wie auch den modifizierten Interferonprodukten sind solche Leberwerterhöhungen bekannt und gelten in diesem Setting als ein Prädiktor für die Response und die Induktion von NK- und virusspezifischen T-Zellen.

Immunsupprimierte Patienten engmaschig kontrollieren

Sehr viel seltener treten ALT-Anstiege bei einer Behandlung mit Nukleos(t)id-Analoga auf. Sie zeigen sich überwiegend zu Behandlungsbeginn, betreffen meist HBeAg-positive Patienten und sind unter fortgeführter Therapie selbstlimitierend. Eine hepatische Dekompensation ist genauso wie beim Interferon-bedingten ALT-Anstieg unwahrscheinlich, kommt aber vor.

Zuwarten und kontrollieren verbietet sich allerdings: Ein ALT-Anstieg unter Nukleos(t)id-­Analoga kann auch ein Zeichen von Non-Adhärenz oder Therapieresistenz sein – vergleichbar in etwa mit einem ALT-Anstieg bei einem zu frühen geplanten Beenden der Nukleos(t)id-Analoga-Therapie. Verbindliche Empfehlungen für das weitere Vorgehen in den jeweiligen Situationen fehlen allerdings, entsprechende Studien werden dringend benötigt.

Und zu guter Letzt gibt es noch den sogenannten Reaktivierungs-ALT-Anstieg, der u.a. im Rahmen einer immunsuppressiven Therapie z.B. bei Krebs oder nach Organtransplantationen auftreten kann. Durch ein HBV-Screening können Risikopatienten identifiziert und prophylaktisch und zeitgleich mit dem Beginn der Immunsuppressivabehandlung mit Nukleos(t)id-Analoga therapiert werden. Bei Patienten mit einem niedrigen Hepatitis-Reaktivierungsrisiko empfiehlt sich während der Immunsuppression eine HBV-DNA-Überwachung alle ein bis drei Monate.

Quelle: Ghany MG et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2020; DOI: 10.1016/S2468-1253(19)30344-9