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Wissen, Trost und Austausch – vertrauenswürdige Quellen in sozialen Medien

Autor: Antje Thiel

Gerade zu Zeiten von Corona stellen Soziale Medien einen einfachen Weg dar, um mit Patienten zu interagieren. Gerade zu Zeiten von Corona stellen Soziale Medien einen einfachen Weg dar, um mit Patienten zu interagieren. © iStock/Irina_Strelnikova
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Die meiste Zeit müssen Menschen mit Diabetes ihre Erkrankung ohne ihr Diabetesteam bewältigen. Hier kann gegenseitige Unterstützung einen wichtigen Beitrag leisten. Dennoch wird ihre Bedeutung oft unterschätzt – zu Unrecht, wie sich vor allem in der Coronapandemie gezeigt hat.

Die Diabetes Online Community (DOC) ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Darauf hat Kelly­ Close­, Gründerin des US-amerikanischen Portals „Close Concerns“ und der DiaTribe-Stiftung hingewiesen. So hätten sich die Followerzahlen der wichtigsten Twitter-Konten, die sich mit Dia­betes befassen, zwischen 2013 und 2021 zum Teil vervierfacht. In der DOC engagieren sich neben Menschen mit Diabetes auch Fachgesellschaften, Diabeteskliniken, Hersteller von Diabetestechnik und anderweitig in der Diabetologie tätige Personen. „Medizinisches Fachpersonal, das sich in den sozialen Medien engagiert, steht in der DOC hoch im Kurs“, berichtete Close.

Dabei handelt es sich keineswegs um sinnlos verdaddelte Zeit, wie in einer Studie zu den Auswirkungen des Austauschs in der Diabetes-Community auf die Stoffwechsellage gezeigt werden konnte.1 „Jeder Punkt mehr beim DOC-Engagement geht mit einer um 33,8 % geringeren Wahrscheinlichkeit einher, einen HbA1c-Wert von mindestens 7 % zu haben“, betonte Close.

Für Menschen mit Typ-1-Diabetes sei die DOC nach ihrem Diabetes­team bereits die zweitwichtigste Anlaufstelle. Diabetologen seien oft skeptisch, weil die über die Community erhältlichen Informationen weder reguliert noch kuratiert werden. Dennoch sollten sie Patienten aktiv zum Austausch in der DOC ermuntern, fand Close: „Die Vorteile überwiegen gegenüber den Bedenken.“

Das sieht auch der britische Diabetologe und „Twitter-Star“ Professor Dr. Partha­ S. Kar­ (@parthaskar) aus Portsmouth so. Für ihn ist die Unterstützung anderer (sog. Peer Support) durch die (Online-)Community neben Selbstmanagement und Zugang zu geschulten Diabetes­profis eine der drei zentralen Säulen für ein erfolgreiches Diabetesmanagement. Im Alltag seien Menschen mit Diabetes zu 99,98 % der Zeit mit ihrer Erkrankung auf sich allein gestellt. Gleichzeitig verbrächten sie – wie viele anderen auch – häufig Zeit mit sozialen Medien. „Da ist es logisch, dass sie auf diesem Wege Kontakt zu anderen Betroffenen suchen.“

Soziale Medien als Quelle, den Diabetes besser zu verstehen

Man könne online zwar viele unsinnige und z.T. auch gefährliche Ratschläge finden, „andere Nutzer kommentieren und korrigieren diese jedoch meist sehr schnell. Da gibt es eine natürliche Regulation“, sagte Prof. Kar. Seine Rolle als Diabetologe sieht er deshalb nicht als Gatekeeper, sondern eher als Lotse. Für ihn seien die sozialen Medien eine wichtige Quelle, um die Herausforderungen des Lebens mit Diabetes noch besser zu verstehen.

Sichere Anlaufstellen im Netz

Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes sind in einem Alter, in dem die Nutzung sozialer Medien nicht so stark verbreitet ist. Während Jüngere sich vor allem auf Instagram, Twitter und TikTok tummelten, seien Ältere – wenn überhaupt – eher auf Facebook unterwegs, erklärte Simon­ O`Nell­, Pflegeberater bei der britischen Organisation DiabetesUK. Wer Patienten mit Dia­betes Typ 2 geeignete Informationsquellen und Portale für den Austausch im Netz empfehlen möchte, sollte zum einen darauf achten, dass man dort (firmen-)unabhängige und wissenschaftlich fundierte Informationen findet. Doch auch der Umgangston in den entsprechenden Foren sei wichtig: Leider würden Menschen mit Typ-2-Diabetes in sozialen Medien häufig mit Stigmata konfrontiert, was gerade unmittelbar nach der Diagnose sehr entmutigend wirken könne.

Während der Coronapandemie ist die Bedeutung von Online-Plattformen wie Twitter sogar noch gestiegen, betonte die britische Psychologin Dr. Rose­ Stewart­, die im NHS Wales für die psychosoziale Betreuung von Patienten mit Diabetes zuständig ist. Zu Beginn der Pandemie seien viele Termine in Diabeteszentren abgesagt worden, ohne dass man virtuellen Ersatz habe anbieten können. „Viele Einrichtungen hatten von ihren Patienten nicht einmal E-Mail-Adressen. Es gab also keine Möglichkeit, sie mit Informationen zu versorgen. Gleichzeitig klingelte permanent das Telefon“, erinnerte sie sich. „Wir brauchten einen einfachen Weg, um mit unseren Patienten interagieren zu können.“ So kam es, dass sich 19 medizinische Fachkräfte zusammentaten und den twitterbasierten Kanal „Team Diabetes 101“ (@diabetes101) ins Leben riefen. „Wir wollten eine Brücke schlagen und die Isolation überwinden, in die sich die Menschen begeben hatten“, erzählte Dr. Stewart. Ihr Team entwickelte zunächst eine Liste mit Antworten auf typische Fragen rund um die Themen Dia­betes und COVID-19. Daneben gab es Tipps zu Stressbewältigung, Ernährung und Bewegung in Pandemiezeiten sowie Community-Rituale wie die gemeinsame nachmittägliche Tee-Runde. Später kamen sogenannte „Tweetorials“ als Ersatz für ausgefallene Schulungen hinzu. „Viele davon vermittelten sehr spezifisches Fachwissen, zu dem normalerweise nicht alle Patienten in ihren jeweiligen Diabeteszentren Zugang gehabt hätten.“

1. Litchman ML et al. J Diabetes Sci Technol 2019; 13: 466–492; DOI: 10.1177/1932296819831042

Quelle: 14th International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes (ATTD)