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Adipöse tragen nach bariatrischen Eingriffen ein erhöhtes Risiko für Selbstschädigungen

Autor: Dr. Judith Lorenz

Eine unzureichende Gewichts­abnahme scheint wohl nicht für den Suizid verantwortlich zu sein. Eine unzureichende Gewichts­abnahme scheint wohl nicht für den Suizid verantwortlich zu sein. © iStock.com/AppleZoomZoom
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Übergewichtige, die sich einer Magenverkleinerung unterziehen, begehen häufiger Selbstmord als Patienten, die sich für eine Gewichtsreduktion ohne chirurgische Hilfe entscheiden. Das bedeutet aber nicht, dass man pauschal von einem derartigen Eingriff abraten sollte.

Nach einem bariatrischen Eingriff sinkt zwar das Risiko, an den Folgen der Fettleibigkeit zu versterben, allerdings scheinen nach Adipositaschirurgie gehäuft psychische Störungen aufzutreten, berichtet Professor Dr. Martin Neovius vom Karolinska Institutet in Stockholm. Zusammen mit weiteren Kollegen ist er der Frage nachgegangen, ob auch das Selbstmord- und das Selbstverletzungsrisiko steigen. Hierzu haben die Wissenschaftler die Daten zweier großer schwedischer gematchter Kohortenstudien analysiert.

Im Rahmen der zwischen 1987 und 2001 durchgeführten prospektiven nicht-randomisierten SOS (Swedish Obese Subjects)-Studie wurden mehr als 2000 adipöse Frauen und Männer mittels Magenbypass, Magenband bzw. vertikaler bandgestützter Gastroplastik behandelt. Die Vergleichsgruppe umfasste fettleibige Personen ohne chirurgischen Eingriff.

Ferner identifizierten die Forscher mithilfe des Scandinavian Obesity Surgery Registry (SOReg) mehr als 20 000 Patienten, die sich zwischen 2007 und 2012 einer Magenbypass­-OP unterzogen hatten. Die Kontrollen bildeten mehr als 16 000 adipöse Menschen, die an einem kommerziellen Gewichtsreduktionsprogramm teilgenommen hatten.

Das Ergebnis: In beiden Studienkollektiven konnten signifikant mehr Suizide bzw. Selbstschädigungen in der Gruppe der operierten Patienten verzeichnet werden [87 vs. 49 Fälle, adjusted Hazard Ratio (aHR) 1,78, bzw. 341 vs. 84 Fälle, aHR 3,16]. Bezüglich der Selbsttötungsrate unterschieden sich die im Rahmen der SOS-Studie operierten Patienten allerdings nicht signifikant von den Kontrollen. In der SOReg-Studie war dagegen das Suizidrisiko in der Operationsgruppe signifikant erhöht. Ein Zusammenhang zwischen einer unzureichenden Gewichtsabnahme und dem Suizid- bzw. Selbstverletzungsrisiko bestätigte sich nicht.

Bariatrische Eingriffe prädisponieren für Selbsttötungsdelikte und Selbstschädigungen, schlussfolgern die Autoren. Angesichts der geringen absoluten Risikoerhöhung – es traten nur 42 Suizide in mehr als 117 000 Personenjahren auf – sowie der Vielzahl positiver kardiovaskulärer und metabolischer Effekte der Adipositaschirurgie sei es jedoch nicht gerechtfertigt, von dieser Art von OP prinzipiell abzuraten.

Stattdessen empfehlen die Experten, alle Patienten präoperativ gründlich psychiatrisch beurteilen zu lassen und über das erhöhte Risiko aufzuklären. Auch eine postoperative psychiatrische Betreuung der Patienten sollte ihrer Ansicht nach gewährleis­tet sein.

Quelle: Neovius M et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6: 197-207