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Bei Niereninsuffizienz führen nicht nur kardiovaskuläre Risiken in die Irre

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Bei der Niereninsuffizienz darf das Herz nicht außer Acht gelassen werden. Bei der Niereninsuffizienz darf das Herz nicht außer Acht gelassen werden. © Rasi – stock.adobe.com
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Nierenkranke sind kardiovaskulär stark gefährdet. Allerdings fallen Herzleiden bei ihnen klinisch oft weniger­ auf als bei renal gesunden Menschen. Was bedeutet das für das diagnostische Vorgehen?

Wenn Dialysepatienten sterben, geschieht dies am häufigsten aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen. Das Herz-Kreislauf-Risiko ist bereits bei leichter oder mittelschwerer Niereninsuffizienz erhöht und steigt dann mit zunehmender Verschlechterung der Filtrationsrate exponentiell weiter, erklärt Privatdozent Dr. Georg Schlieper vom Zentrum für Nieren-, Hochdruck- und Stoffwechsel­erkrankungen in Hannover.

Aus Sicht des Kollegen unterschätzen die üblichen kardiovaskulären Risikomodelle die tatsächliche Gefährdung bei einer Niereninsuffizienz. Und auch das klinische Bild verführe dazu, das Risiko zu gering zu bewerten. Denn nierenkranke Patienten mit KHK haben oft wenige oder gar keine pektanginösen Beschwerden. Ein Herzinfarkt ist nicht selten die Erstmanifestation.

Dazu kommt, dass sich auch Koronarsyndrome atypisch präsentieren. Nierenpatienten leiden seltener unter den typischen Brustschmerzen. Bei ihnen stehen häufig nur Dyspnoe und Leistungsminderung im Vordergrund. Bei solchen Beschwerden muss man an ein koronares Ereignis denken und eine entsprechende Diagnostik einleiten, betont der Experte.

Alle Patienten mit Niereninsuffizienz sollten regelmäßig eine kardio­logische Basisdiagnostik (Anamnese und klinische Untersuchung) durchlaufen. Bei symptomatischen Patienten empfiehlt es sich, diese je nach Beschwerdebild durch EKG, Echokardiographie, Troponin-T-Test und/oder Röntgenthorax zu ergänzen. Aus dem EKG lassen sich Zeichen für eine KHK ablesen. Bei Wartelistenpatienten hat man als Risikoprädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse ein erhöhtes T:R-Verhältnis identifiziert. Das EKG, besser noch das Langzeit-EKG, kann Vorhofflimmern detektieren, das bei einem Viertel der älteren Dialysepatienten zu finden ist.

Herzecho sollte immer nach der Dialyse erfolgen

Mit der Echokardiographie lassen sich häufige kardiale Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Herzklappenfehler oder ein Pleuraerguss erkennen. Bei Dialysepatienten sollte die Echokardiographie immer nach der Dialyse, d.h. nach Erreichen des Trockengewichts, erfolgen.

Bei Patienten mit Symptomen, die auf einer KHK beruhen könnten, sollte eine Ischämiediagnostik durchgeführt werden. Das Belas­tungs-EKG weist eine zu geringe Sensitivität auf, um als alleiniges ischämiediagnostisches Verfahren zu genügen. Für einen Ischämietest bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz sollten Stressechokardiographie oder Myokardszintigraphie – jeweils mit pharmakologischer Belastung – eingesetzt werden. Der prädiktive Wert beider Verfahren im Hinblick auf die kardiovaskuläre Mortalität scheint ähnlich zu sein.

Angst vor Nierenversagen darf Angio nicht verzögern

Fällt der Ischämietest positiv aus, wird eine Koronarangiographie empfohlen. Diese sollte nicht aus Furcht vor einem möglichen akuten Nierenversagen verzögert werden. Man sollte aber dafür sorgen, dass die Patienten für die Untersuchung ausreichend hydriert sind, und die Kontrastmittelmenge so niedrig wie möglich halten.

Klar ist, dass Kandidaten für eine Nierentransplantation im Vorfeld kardial untersucht werden müssen. Denn das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ist vor allem peri- und postoperativ stark erhöht. Ein Konsensus der Arbeitsgemeinschaft von deutschen Nierentransplantationszentren empfiehlt, eine Herzdiagnostik zumindest mit EKG, Echokardiographie und Ischämietest vorzunehmen, bevor Patienten auf die Warteliste gesetzt werden.

Was die invasive Diagnostik betrifft, bewegen sich die Ärzte in dem Dilemma, dass dabei auch prozedurale Nebenwirkungen auftreten können, andererseits ein unauffälliger Ischämiebefund eine KHK aber nicht sicher ausschließt. Besonders leicht wird man sich für eine invasive Diagnostik entscheiden bei Patienten mit langjähriger Urämie, denen eine Transplantation kurz bevorsteht. Es gibt Experten, die dies auch für asymptomatische Patienten mit hohem Risiko für eine koronare Herzkrankheit auf der Transplantationswarteliste empfehlen.

Kontrollintervalle je nach Risiko wählen

Wenig Daten existieren dazu, in welchen zeitlichen Abständen Patienten mit Niereninsuffizienz kardiologisch untersucht werden sollen. Die Empfehlungen liegen zwischen einmal jährlich und alle drei Jahre – je nach Risiko.

Quelle: Schlieper G. Internist 2020; 61: 349-356; DOI: 10.1007/s00108-019-00737-4