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Patientenfragebogen 9 Beim Screening auf Depression den Bogen raus

Autor: Liesa Regner-Nelke

Der Patientenfragebogen 9 (PHQ-9) ist ein häufig und international verwendetes Modell. Der Patientenfragebogen 9 (PHQ-9) ist ein häufig und international verwendetes Modell. © iStock/Ratana21
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Proaktiv nach Depressionen screenen? Das klingt erst einmal kompliziert, ist es aber eigentlich nicht: Man braucht nur einen guten Fragebogen und den richtigen Cut-off-Wert.

Bei der Depression gibt es eine hohe Dunkelziffer nicht diagnostizierter Patienten. Proaktiv nach der Erkrankung zu suchen, könnte eine Lösung für dieses Problem sein, doch hierfür ist ein möglichst präzises Screening-Instrument notwendig.

Ab zehn Punkten gilt die Depression als schwer

Gesundheitsfragebogen werden im Rahmen der Depressionsdiagnostik für Screening-Prozesse, aber auch zur Evaluation des Schweregrads einer Depression oder für die Kontrolle des Behandlungserfolgs verwendet. Der Patientenfragebogen 9 (PHQ-9) ist ein häufig und international verwendetes Modell, welches aus der Beschreibung von neun Symptomen/Symptomkomplexen besteht, deren Auftreten auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht) bis 3 (beinahe jeden Tag) eingeordnet werden muss. Ab zehn Punkten wird von einer schweren Depression ausgegangen.

Für den klinischen, aber auch wissenschaftlichen Umgang mit Fragebogen oder Screening-Instrumenten im Allgemeinen ist das Wissen über deren Sensitivität und Spezifität entscheidend. Dr. Zelalem Negeri von der McGill Universität in Montréal untersuchte mit seinen Kollegen diese Eigenschaften für den PHQ-9. Im Rahmen einer Metaanalyse wurden 100 Studien geprüft, in denen der PHQ-9 sowie eine Referenzdiagnostik in Form eines Interviews verwendet wurden. Hierbei kamen voll- und teilstrukturierte Interviews sowie das Mini-International Neuropsychiatric Interview (MINI) zum Einsatz.

Für den PHQ-9 zeigte sich im Vergleich zu den semistrukturierten Interviews eine kombinierte Sensitivität und Spezifität von jeweils 85 %. Wurden ausschließlich Patienten analysiert, bei welchen bisher keine Depression bekannt war, was einer Screening-Population entsprechen würde, zeigte sich sogar eine Erhöhung der Spezifität auf 89 %, während die Sensitivität gleich blieb. Für über 60-Jährige sowie für Männer lag die Spezifität höher als für jüngere Patienten oder Frauen. Diese Unterschiede waren jedoch zu geringfügig, um in alters- oder geschlechtsspezifische Grenzwerte zu münden.

Den Cut-off-Wert je nach klinischer Priorität wählen

Diese Erkenntnisse unterstützen die Interpretation von Ergebnissen des PHQ-9 sowie die Entscheidung, ob dieser abhängig von der jeweiligen Population als Screening-Instrument geeignet ist. Der Cut-off-Wert von 10 erreiche zwar die besten Ergebnisse in einer potenziellen Screeningpopulation, könne aber je nach klinischer Priorität auch anders gewählt werden, so die Autoren. 

Quelle: Negeri ZF et al. BMJ 2021; 374: n2183; DOI: 10.1136/bmj.n2183