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Lungenkarzinom Effektivität des Lungenkrebsscreenings hängt von der Definition der Risikogruppe ab

DKK 2022 Autor: Friederike Klein

Die Standart des Lungenkrebsscreenings ist in Europa unterschiedlich weit fortgeschritten.
Die Standart des Lungenkrebsscreenings ist in Europa unterschiedlich weit fortgeschritten. © BillionPhotos.com – stock.adobe.com
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Die Altersgrenzen und die Definition des hohen Risikos zur Eingrenzung der Population für das Lungenkrebsscreening sind noch strittig. In Europa ist die Implementierung unterschiedlich weit fortgeschritten.

In den USA wird inzwischen ein jährliches Lungenkrebsscreening mit der Niedrigdosis-Computertomografie (LD-CT) im Alter von 50–80 Jahren empfohlen, wenn die Person mindestens 20 Packungsjahre geraucht hat und immer noch raucht oder der Stopp des Tabakkonsums innerhalb der letzten fünfzehn Jahre erfolgte. „Das ist für Europa wahrscheinlich zu viel“, sagte Prof. Dr. Harry J. de Koning, Erasmus Universität in Rotterdam. Bei so einem breiten Screening steigen die Häufigkeit falsch-positiver Befunde und die Kosten pro verhindertem Lungenkrebs-Todesfall deutlich. In die europäische NELSON-Studie wurden nur Männer und Frauen im Alter von 50–74 Jahren eingeschlossen, die entweder > 25 Jahre mehr als 15 Zigaretten pro Tag oder > 30 Jahre mehr als zehn Zigaretten pro Tag geraucht hatten.1 Exraucher:innen durften ebenfalls teilnehmen, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre aufgehört hatten. Das bis zu viermalige Screening mit der LD-CT reduzierte die Lungenkrebsmortalität bei Hochrisikopersonen gegenüber der Kontrolle, die diese Untersuchung nicht erhielt, um 24 %. Frauen profitierten mehr als Männer, berichtete der Referent.

Auch in der US-amerikanischen Sceeningstudie NLST war ein Geschlechtsunterschied der Mortalitätsreduktion aufgetreten. Dort fiel die Senkung der Lungenkrebssterblichkeit mit LD-CT insgesamt etwas geringer aus. Die NELSON-Autor:innen detektierten mit 71 % vs. 62 % mehr Lungenkarzinome im Stadium IA oder IB als die der NLST-Untersuchung; die Sensitivität des LD-CTs in der europäischen Studie sei besser als in den USA, meinte Prof. de Koning und betonte, die hohe Qualität des Screenings sei eine wesentliche Voraussetzung für die Kosteneffektivität.

In Europa ist die Implementierung des Lungenkrebsscreenings unterschiedlich weit fortgeschritten.

  • Kroatien, Polen und Italien haben ein nationales Screening beschlossen. Die Identifikation der Risikopersonen erfolgt in der Hausarztpraxis.
  • In Frankreich gibt es ein Pilotprojekt nur für asymptomatische Frauen im Alter zwischen 54 und 74 Jahren mit 25 Packungsjahren Rauchanamnese. 
  • Schweden und Deutschland führen Machbarkeitsstudien durch, zum Beispiel HANSE in Norddeutschland. 
  • Im Vereinigten Königreich wird schrittweise ein „Lung Health Check“-Programm eingerichtet. Angesprochen werden Menschen zwischen 55 Jahren und 74 Jahren, die irgendwann geraucht haben. Der Lungen-Gesundheitscheck wird von einer entsprechend qualifizierten Pflegekraft durchgeführt. Wer ein hohes Lungenkrebsrisiko hat, kann ein LD-CT in Anspruch nehmen.

Lungenscreening plus

Maßnahmen zur Raucherentwöhnung sollten immer Bestandteil des Lungenkrebsscreenings sein, betonte Prof. de Koning. Allerdings dürften etwa 60 % der infrage kommenden Personen inzwischen Exraucher:innen sein. 

(Ex-)Raucher:innen haben auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Daher sollte dieses im Rahmen des Screenings mit erhoben werden. Es könnte aber auch Sinn ergeben, bei der LD-CT auf kardiovaskuläre Erkrankungen zu screenen. Damit würde die Kosteneffektivität der Untersuchung deutlich steigen, ist Prof. de Koning überzeugt. 

Definition der Risikoparameter

Prof. de Koning präferiert eine breitere Definition des Risikos mit Parametern, die über Alter und Rauchhistorie hinausgehen. In der europäischen 4-IN-THE-LUNG-RUN-Studie, an der sich auch deutsche Zentren beteiligen, werden Kriterien aus dem PLCOm2012-Prädiktionsmodell verwendet, um das Risiko für eine Lungenkrebsentwicklung vorherzusagen. Dabei spielen neben Alter und Rauchhistorie Body-Mass-Index, frühere Krebsdiagnosen, COPD-Komorbidität, Lungentumoren in der Familie und Bildungsgrad eine Rolle. Teilnehmen können Menschen im Alter von 60–79 Jahren, die nach den PLCOm2012-Kriterien ein 6-Jahres-Lungenkrebsrisiko von mindestens 2,6 % haben oder eine Rauchhistorie von 35 Packungsjahren und mehr aufweisen, aktuell noch rauchen oder in den letzten zehn Jahren damit aufgehört haben.

Da die Frequenz des LD-CT ebenfalls in Diskussion ist, soll in der Studie ein nach dem Ergebnis der Basis-LD-CT differenziertes Screening geprüft werden: Bei unauffälligem Befund im ersten Scan wird eine Gruppe randomisiert weiter jährlich untersucht, die andere erst nach zwei Jahren. Das 10-Jahres-Risiko für eine Lungenkrebsdiagnose ist bei unauffälligem Ergebnis im ersten LD-CT mit 5 % niedrig, sagte Prof. de Koning. Das rechtfertige möglicherweise eine Deeskalation des Screenings in diesen Fällen. Ist der Befund unklar, steigt das 10-Jahres-Lugenkrebsrisiko dagegen auf 8,8 % an, bei auffälligem Ergebnis auf 52 %. fk 

Quelle:
1. De Koning HJ et al. N Engl J Med 2020; 382: 503-513; DOI: 10.1056/NEJMoa1911793