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Hämatologische Malignome: Bestrahlung während der COVID-19-Pandemie anpassen

Autor: Josef Gulden

SARS-CoV-2 (blau) unter dem Elektronenmikroskop. Das Isolat stammt vom ersten COVID-19-Fall in den USA. SARS-CoV-2 (blau) unter dem Elektronenmikroskop. Das Isolat stammt vom ersten COVID-19-Fall in den USA. © CDC/Hannah A Bullock; Azaibi Tamin
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Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen tragen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion und sollten Kontakte reduzieren. Ein Fachgremium erklärt, wann Sie nun auf eine Radiatio verzichten, sie verkürzen oder ganz einsparen können.

Um Kollegen mehr Sicherheit zu bieten, wie sie die Radiotherapie eines hämatologischen Malignoms während der COVID-19-Pandemie anpassen können, hat das Fachgremium der International Lymphoma Radiation Oncology Group (ILROG) Empfehlungen ausgesprochen. Oberste Richtlinie für die adaptierten Behandlungsprotokolle war, die radiobiologische Wirksamkeit nicht zu vermindern und gleichzeitig eine möglichst gute Verträglichkeit zu gewährleisten. Unter der Federführung des Radioonkologen Dr. Joachim Yahalom vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York identifizierten die Autoren drei potenzielle Strategien, um die Zahl an Behandlungen möglichst gering zu halten.

1. Verzichten

Übersteige das Risiko des Patienten für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion den Nutzen der Bestrahlung, könne man darauf verzichten. Beispielsweise bei Krebskranken ab 60 Jahren und/oder mit schweren Komorbiditäten. Zudem erachtet das Fachgremium folgende Situationen als geeignet:

  • zuvor komplette Resektion eines lokalen niedrig-malignen Lymphoms oder eines lymphozytenprädominanten Hodgkin-Lymphoms,
  • palliative Situation mit Alternativen zur Bestrahlung,
  • aggressives Non-Hodgkin-Lymphom bzw. diffus großzelliges B-Zell-Lymphom, bei dem nach beendeter Chemo eine komplette Remission erreicht wurde.

Müsste jedoch eine zusätzliche Chemotherapie die Wirkung einer ausgefallenen Radiatio kompensieren, könnte dies das Immunsystem prolongierend supprimieren, warnt das Fachgremium. Im Kontext der Pandemie will es dies deshalb tunlichst vermeiden. Während einer multidisziplinären Diskussion sollten Kollegen für jeden Patienten das Vorgehen individuell entscheiden.

2. Verschieben

Eine Verschiebung kommt infrage, wenn dadurch die Prognose nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird. Die Kollegen nennen:

  • asymptomatisches lokalisiertes, niedrig-malignes Non-Hodgkin-Lymphom,
  • lokalisiertes lymphozytenprädominantes Hodgkin-Lymphom,
  • nicht progredientes Malignom, wenn ein Patient, der auf eine Bestrahlung wartet, an COVID-19 erkrankt ist,
  • niedrig-malignes, stabiles Non-Hodgkin-Lymphom in palliativer Situation.

3. Abkürzen

Eine Alternative zu den beiden vorherigen Optionen bietet laut ILROG die Abkürzung des gesamten Behandlungsprotokolls mittels alternativer hypofraktionierter Bestrahlungsprotokolle. Prämisse ist, dass es keine relevanten Unterschiede in puncto Wirksamkeit, Heilungschancen und/oder palliativer Effektivität sowie Sicherheitsprofil gibt.

Die höheren Einzeldosen steigern zwar die Wahrscheinlichkeit für akute und späte Toxizitäten. Zum Großteil können moderne konformale Bestrahlungstechniken mit ihrem steilen Dosisgradienten zwischen Ziel- und umgebendem Gewebe das Risiko jedoch abfangen. In Fällen, in denen sich eine erhebliche Strahlenexposition von Herz oder Lungen nicht vermeiden lässt, raten die Autoren wie gehabt zur Standardfraktionierung mit 2 Gy pro Dosis. 

Quelle: Yahalom J et al. Blood 2020; 135: 1829-1832; DOI: 10.1182/blood.2020006028